Der Herrschinger Reise- und Sportfotograf Jörg Reuther stellt mit Kollegen im Kurparkschlösschen aus.

Kunst, die den Augenblick für die Ewigkeit konserviert

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 Ausstellungen im Kurparkschlösschen sind Kraftakte – im Wortsinn: „Die Exponate über zwei steile Treppen in den dritten Stock zu schleppen, ist noch keine Kunst, aber ein Kunststück“, sagt Catharina Geiselhart, im Kulturverein fürs Gegenständliche zuständig: Das Ressort der Kunsthistorikerin und Zweiten Vorsitzenden sind Gemälde und Skulpturen. Am Mittwochabend hat sie zusammen mit dem Kulturbeauftragten Hans-Hermann Weinen die Fotoausstellung „Vier Perspektiven“ eröffnet. Der Herrschinger Reise- und Sportfotograf Jörg Reuther, der Landschaftsfotograf Tibor Leiter, der Architekturfotograf Maximilian Gottwald und die Fotoingenieurin Pe-Lin Neven Du Mont zeigen auf drei Etagen ihre Arbeiten.

Die Kunsthistorikerin Catharina Geiselhart bei der Ausstellungseröffnung. Links neben ihr eine Arbeit von Pe-Lin Neven Du Mont aus Bhutan.

Jörg Reuther aus Wartaweil gehört in Deutschland zu den Berühmtheiten seines Fachs, mit seinem Können kann nur noch seine Bescheidenheit konkurrieren. Er war auf Reisen um die ganze Welt mit dem berühmten und vielfach ausgezeichneten Freund und Geschichtenerzähler Michael Martin unterwegs. Er tourte mit Martin durch die bizarrsten und lebensfeindlichsten Landstriche unseres Planeten, die bildgewordenen Zeugnisse dieser Expeditionen hängen nun unter dem Dach des Kurparkschlösschens. Die in raffinierten Farbnuancen schwelgenden Bilder entstanden in Nambia, Bolivien, Saudi Arabien, Tschukotka, Australien, Grönland, Island und der Mongolei.

Reuther arbeitete für viele renommierte Zeitschriften und bewies dabei, dass er Action ebenso sicher beherrscht wie Landschafts-„Malerei“. Seine Kamera erwischt den goldenen Moment, ob er eine Tausendstel Sekunde dauert oder eine halbe Minute.

Reuther kam schon im Alter von acht Jahren mit der Fotografie in Berührung, verbrachte dann als Schüler viele Stunden in der Dunkelkammer. Er studierte aber nicht Fotografie, sondern Geologie in München. „Seine Fotografien zeigen, wie Landschaften nicht nur die Lebensumstände, sondern auch die Menschen selbst prägen“, führte Catharina Geiselhart in ihrer Einführungsrede aus. Die gerahmten Arbeiten kosten 650 Euro.

Maximilian Gottwald vor seinen japanischen Filmplakaten, die zu Dokumenten der Vergangenheit wurden. Hier spielt er humorvoll mit der Hutbeziehung zwischen Plakat und Fotograf.

Maximilian Gottwald empfängt die Austellungsbesucher mit zwei monumentalen japanischen Vintage-Filmplakaten, auf denen über Jahrzehnte Werbeposter immer wieder übereinander geklebt wurden. In der zweiten Fotoserie „japanese cemeteries“  dokumentiert Gottwald „die einzigartige Verschmelzung von Stadt- und Friedhofslandschaften in Japan“, wie Geiselhart erklärt. Die Grabsteine mitten in Tokio sind groteske Denkmäler der Vergangenheit neben riesigen Wolkenkratzern. Es ist so, als würde Gottwald sagen wollen: Schaut, ihr Mächtigen im obersten Stock, irgendwann werdet ihr am Fuß dieser Hochhäuser landen. „Es fasziniert mich, wie solche Kontraste und Verbindungen in einer Fotoserie dargestellt werden“, sagte Geiselhart.

Die in Heidelberg geborene und in Herrsching lebende Fotoingenieurin Pin-Le Neven Du Mont versetzt die Ausstellungsbesucher nach Bhutan und Sikkim, die sie 2017 bereiste. Sie erzählt in ihren Bildern Alltagsgeschichten, sie lenkt den Blick auf für uns unbekannte Lebenswirklichkeiten. „Diese Erfahrungen kann beim Betrachter sowohl Verbundenheit mit den abgebildeten Menschen und Situationen als auch Irritationen oder gar Ablehnung und Kritik hervorrufen“, sagte Geiselhart über die Arbeiten von Pin-Le Neven Du Mont.

Der spätberufene Tibor Leiter vor seinen Bildern, die rund um den Ammersee entstanden sind.

Tibor Leiter, der 2014 von Ungarn nach Deutschland übersiedelte, zeigt im Erdgeschoss Bilder von der Fauna und der Landschaft rund um den Ammersee. Leiter ist ein Spätberufener an der Kamera, erst 2019 entdeckte er die Fotografie als Ausdrucksmittel. „Nach einer Bergwanderung am Kramperspitz wollte ich meinen Freunden von einer faszinienden Tour erzählen. Aber die Handyaufnahmen konnten nicht annähernd wiedergeben, was ich gesehen habe. Ich beschloss, eine Kamera zu kaufen, und die  nehme ich fortan überall mit hin“, erklärt Leiter sein „Erweckungserlebnis“. Heute, so Geiselhart in ihrer Vorstellung, gelinge es Leiter tatsächlich, sichtbar zu machen, was ohne ihn nie wahrgenommen worden wäre.“

Die Ausstellung ist noch bis Sonntag im Kurparkschlösschen zu sehen. Sie ist am Freitag, Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhrzu geöffnet.

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