Der „Schatz" im Silbersee: Einige Hobbyforscher und Limnologen haben sich mit einer geheimnisvollen Schaukelwelle am Ammersee beschäftigt. Die Wellen auf diesem Bild aber hat der Wind gemacht.

Die seltsame Schaukelwelle des Ammersees

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Ein Hobby-Wissenschaftler hat vor 100 Jahren eine obskure Mikrowelle beschrieben/ Sie soll systematisch alle 23 Minuten von Süd nach Nord und von Nord nach Süd laufen/Wissenschaftlich bewiesen: Zweimal im Jahr werden die Wasserschichten im See umgewälzt///

Der Ammersee hat Fieber: Seit 1980 ist die Jahresmitteltemperatur von 9,3 auf 12 Grad angestiegen. Und die Zahl der Tage mit über 20 Grad Oberflächen-Wassertemperatur hat sich vervierfacht. Das freut den Schwimmer, den Angler weniger. Überraschend ist der Temperaturanstieg nicht. Verblüffend dagegen ist ein Naturphänomen, das schon vor knapp 100 Jahren beschrieben wurde: Im Ammersee schwingt eine geheimnisvolle Welle, die weder durch Schiffe noch durch Wind angeschoben wird. Der Heimatforscher Robert Volkmann hat in einem Aufsatz alle Fakten zusammengetragen, die von dieser obskuren Mikrowelle berichten. Schwimmer behaupten immer wieder, dass sie sich über zarte, unerklärliche „Swells“ wundern. Auch Volkmann ist nach dem Studium vieler Quellen überzeugt, dass es die Schaukelwelle vom Ammersee tatsächlich gibt.

Diese Kleinwelle ist bereits 1926 von dem Privatgelehrten und Wahl-Breitbrunner Franz Utz beschrieben worden. „Wenigen Bewohnern des Ammersees ist es bekannt, daß eine Welle, die so lang ist wie der Ammersee selbst, Tag und Nacht, Sommer und Winter, ja sogar unter der Eisdecke von Nord nach Süd und von Süd nach Nord schwingt. Man möchte sie fast mit der Ebbe und Flut des Meeres oder mit den Atemzügen und Pulsschlägen lebender Wesen vergleichen. Es ist die Schaukelwelle des Ammersees„, schrieb er in einem Aufsatz für die Zeitschrift „Das Bayernland“.

Utz war nach der Jahrhundertwende von einem Physikprofessor gebeten worden, diese Welle mit Messgeräten zu beoachten. Dabei habe sich gezeigt, dass der Ammersee wie ein ungeheures Pendel in 23 einhalb Minuten hin und her schwingt. Der Starnberger See, so Utz, habe eine Hauptschwingung von 25 Minuten, der Genfer See sogar eine Schwingung von 73 Minuten. Je größer der See sei, desto länger sei die Schwingungsdauer.

Nun war Utz weder Physiker noch Limnologe (Wissenschaftler, der Binnengewässer als Ökosysteme erforscht), sondern nur ein neugieriger Hobbyforscher. Warum diese seltsame Welle am See bislang von der Öffentlichkeit kaum thematisiert wurde, liegt möglicherweise an ihrer Bonsai-Größe. Utz: „Die Höhe dieser Schwingung ist am Ammersee allerdings gering, sie schwankt von wenigen Millimetern bis zu 5 Zentimetern; 10 Zentimeter Höhe werden sehr selten erreicht.“ Utz bezieht sich in seinem Aufsatz auch auf einen Bericht des Dr. Joseph von Limprun, der sich das Phänomen von Fischern am Starnberger See habe schildern lassen. Dort sei diese obskure Ebbe-Flut so stark, dass das Fischen mit Netzen beeinträchtigt werde.

Auch am Ammersee habe, so behauptet Utz, die Welle konkrete Auswirkungen: In die Amper bei Stegen fließe nämlich 12 Minuten lang mehr, die nächsten 12 Minuten weniger Seewasser ab. Ob er das gemessen oder gemutmaßt hat, ist nicht bekannt.

Wer aber schiebt nun diese Welle an? Verantwortlich seien Luftdruckschwankungen, glaubt Utz. Auch ein Gymnasialprofessor sieht in den Dreißiger Jahren barometrische Druckveränderungen als Ursache der Welle. Trotzdem bleibt das Phänomen seltsam. Dass diese Schwingungen wegen unterschiedlicher Luftdrücke auf den Süd- und den Nordteil des Sees so systematisch ablaufen, ist umstritten.

Wissenschaftlich bewiesen dagegen ist die „dimiktische“ Durchmischung des Seewassers: Zweimal im Jahr durchmischen sich die verschiedenen Wärmeschichten: Wasser erreicht bei 3,9 Grad Celsius seine maximale Dichte. Deshalb liegt es auch in den tiefen Schichten. In einem entsprechend hohen Ungleichgewichtszustand kommt es zu einer Art Kippen des Sees, das eine Art interner Welle auslöst. Das lässt sich wunderbar messen mit einer Mess-Station an der tiefsten Stelle im See: Diese Mess-Boje wurde 2013 installiert und misst die Wassertemperatur bis in 78 Meter Tiefe in 16 Stufen. Auf der Boje ist außerdem noch eine Kompaktwetterstation für Wind, Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit installiert. Leider, so beklagt der Betreiber der Wetterseite Zebrafall, werden diese Daten nur einmal am Tag um 10 Uhr online gestellt.

Ein anderes Phänomen, das ebenfalls Staunen auslöst, hat Robert Volkmann aus einem anderen Wälzer ausgegraben: die sogenannte „Tiefenwelle“. Nach 3 Tagen mit starken Westwinden fließt das Wasser in unteren Schichten wieder nach Westen zurück. Eigentlich logisch: Am Westufer würde man sonst bald auf dem Trockenen sitzen, der Seewinkel in Herrsching bekäme nasse Füße.

2 Comments

  1. Danke für den Artikel, in dem Sie einige sehr interessante Beobachtungen zusammengetragen haben. Ich kann dazu etwas ergänzen. Ich beobachte am Ammersee an manchen Tagen in den Morgenstunden eine lokale ganz schwache Winderscheinung, die, wenn sie sich zeigt, entweder von Nord nach Süd oder auch von Süd nach Nord auftreten kann.. Zu beobachten ist das am Wellenbild des Sees und an manchen Tage auch durch einen Nebelzug, der wie ein riesiger Tazzelwurm langsam über den See gleitet und in seiner vertikalen Ausrichtung ziemlich genau die Höhe der umgebenden Moränen erreicht. Der Lufttransport ist gut 20 -30 Minuten zu beobachten. Dann laufen die Wellen aus, bzw der Tazzelwurm stoppt, die langestreckte Wolke fliest auseinander und nebelt das ganze Moränental ein. Dieser Nebel verschwindet auch wieder. Es dauert allerdings gut ein oder zwei Stunden bis die Sonne wieder da ist.
    Wie ist das zu erklären? Nördlich und südlich des Sees liegen Feuchtgebiete in Seehöhe. Je nachdem wo die Morgensonne zuerst den Boden erreicht beginnt eine Erwärmungsprozess und sorgt dafür, dass die Luft dort aufsteigen kann (Thermik). Diese nunmehr fehlende Luft muss ersetzt werden. Sie fließt über den Ammersee nach und erzeugt die obigen Beobachtungen. Zugleich bestätigt das die Vermutung der “ alten Füchse“, dass unterschiedliche Luftdrucke für die Schaukelwelle verantwortlich sind, denn Luft fliest immer vom höheren zum niedrigeren Druck . Von da ist es dann nicht mehr weit sich erklären zu können, wie es im Ammersee zu einer Welle mit einer Schwingungsdauer von 23 Minuten kommt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Wolfgang Schnetzer

    • Zur Wissenschaftlichkeit der ganzen Sache:
      Anton Hitzelsberger wurde im München 1940 zu den „regelm. Sespiegelschwankunden des Ammersee“ promoviert.
      Anton Endrös 1912 mit den „Vibrationsbeobachtungen“, 2011 Franziska Rippel dazu und zum Klimawandel.
      Alle in der Staatsbibliothek Mü einsehbar.
      Allgemeines Phänomen: Unter „Seiches“ googeln.
      Mit freundlichen Grüßen
      R. Volkmann

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