Auf den Dächern Herrschings hätten noch viele Solarkraftwerke Platz. Allein das gemeindliche Feuerwehrhaus bietet noch zwei Drittel Freifläche an. Foto: Google Earth

Strom in Herrsching – zuviel fossil

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Der Mister Sonnenstrom in Herrsching, Gemeinderat Gerd Mulert, ist ganz zufrieden: Herrsching hat beim Strom vom Dach ordentlich nachgelegt, sagt er im Interview mit herrsching.online. Auf den Dächern der Gemeinde herrsche nicht mehr die rote, schwarze und braune Trostlosigkeit ungenutzter Dachziegel. Richtig. Nur haben die anderen Gemeinden im Landkreis noch stärker aufgerüstet. Und so bleibt die Seegemeinde das traurige Schlusslicht in der Tabelle der Sauber-Strom-Verbraucher. Nirgends im Landkreis kommt weniger Strom aus erneuerbaren Quellen als in Herrsching. Darüber müssen wir reden mit Mr. Sonnenstrom Mulert.

herrsching.online: In dieser Tabelle hält Herrsching behält Herrsching die rote Laterne: Im neuen Energiebericht des Landratsamtes bleibt Herrsching mit Abstand Schlusslicht beim Konsum von sauberem Strom. Nur 6,9 Prozent des verbrauchten Stroms kommen aus erneuerbaren Quellen, Gilching bezieht 33,8 Prozent sauberen Strom, der ganze Landkreis 21,8 Prozent. Liegt das an der geografischen Lage Herrschings, an der Eigenart Herrschinger Häuser oder an der Mentalität der Herrschinger Häuslebesitzer?

Eine Tabelle, auf die niemand in Herrsching stolz sein kann: Die Seegemeinde ist Spitzenreiter im Fossilstrom-Konsum. Der Ausbau der Erneuerbaren kommt nach dieser Statistik des Landratsamtes nicht voran in Herrsching. Tabelle: Landratsamt Starnberg

Mulert: Vielleicht liegt es daran, dass in der Gemeinde ein bisschen der Schwung fehlt. Aber wir kennen das ja Phänomen des Nachahmens. Wenn ein Hausbesitzer eine PV-Anlage aufs Haus baut, wird er damit zum Vorbild für die Nachbarn – die ziehen nach, weil das gute Vorbild wirkt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass eine Gemeindeverwaltung mit gutem Beispiel vorangeht, wie zum Beispiel bei den weiteren kommunalen Dächern, die heute noch keine PV-Anlagen besitzen. Ich bin jetzt aber, aus dem Bauch heraus gesprochen, nicht mehr unglücklich, wenn ich Herrschings Dächer ansehe. Es herrscht nicht mehr die Trostlosigkeit von allein monochromen schwarzen und braunen Dächern.

Balkonkraftwerke leisten noch einen sehr kleinen Anteil an der Stromerzeugung – ihre Zahl nimmt aber zu

herrsching.online: Schön und gut, aber auf den gemeindeeigenen Dächern ist noch viel Ziegel und Flachdach zu sehen…

Mulert: 2015 haben sich zwei Leute vom Verein Energiewende im Landkreis Starnberg alle kommunalen Dächer in Herrsching angeguckt und analysiert. Damals haben sie, unter den damals bestehenden Umständen, gemeindeeigene Dächer identifiziert, auf denen man PV-Anlagen sofort installieren könne, nämlich das Feuerwehrhaus in Herrsching und die Christian-Morgenstern-Schule. Auf diesen Dächern sind dann auch wirklich PV-Anlagen installiert worden. Bei den Dächern, die damals als mittelgut geeignet eingestuft wurden, ist bislang leider nichts passiert.  So hatte man bei der Feuerwehr nur ein Drittel der Dachfläche belegt, weil man auch den Eigenbedarf der Feuerwehr nicht richtig bewertet hatte. Und beim Rathaus ist ja nur die Südseite belegt. Unter den heutigen technischen Bedingungen mit der enormen Steigerung der PV-Effizienz würde man natürlich die gesamte Fläche des Feuerwehrdachs und die Nordseite des Rathauses nutzen.

herrsching.online: Welche technischen Umstände verhindern PV-Anlagen?

Mulert: Wenn die Statik eines Hauses eine Anlage nicht verkraftet… oder wenn ein großer Baum das Dach verschattet. Aber die PV-Technik hat extreme Fortschritte gemacht, deshalb sollte man bei der Eignungsbeurteilung jetzt noch einmal alle ungenutzten Dächer der Gemeinde neu anschauen.

Herrschings Haushalte verbrauchen soviel Strom wie Industrie und Gewerbe. Quelle: Landratsamt STA

herrsching.online: Gibt es schon Initiativen, eine solche Neubewertung in Arbeit zu geben?

Mulert: Es gibt inzwischen eine Übersicht der Gemeinde, wieviel Strom die einzelnen gemeindeigenen Gebäude Strom brauchen. Mit diesen Zahlen lässt sich die Wirtschaftlichkeit von neuen PV-Anlagen ganz schnell errechnen.

herrsching.online: Ist das Gegenargument mit der Statik heute noch gültig – die Dinger wiegen doch immer weniger.

Mulert: Ich war diesen Sommer auf der Messe Intersolar in München. Dort waren viele Module zu besichtigen, die sehr sehr leicht sind, die sich biegen lassen, die sich deshalb auch für gerundete Dachflächen eignen. Vor 2 Jahren hat man solche technischen Attraktionen auf der Messe noch nicht gesehen. Früher war es Standard, dass ein Modul 25 Kilo wiegt. Diese neuen, dünnen Module wiegen bei gleicher Fläche 7 Kilo…

herrsching.online: …die sind ja fast schon für Zelte geeignet…

Mulert… ja. Der technische Fortschritt ist so flott unterwegs, dass man ganz euphorisch wird und die Energiewende in greifbare Nähe rückt.

herrsching.online: Welche Rolle spielt noch die Neigung eines Hausdachs?

Mulert: Auch die ist weniger wichtig geworden, weil die Effizienz der Module dramatisch besser geworden ist. Daher das Nord- und das Ost-West-Dach, daher auch Module an einer senkrechten Fassade.

herrsching.online: Wie ist heute der technische Stand in Sachen Dachbeschattung oder Teilbeschattung?

Mulert: Auch dafür hat die Industrie heute Lösungen gefunden. Früher hat ein kleiner Schatten auf einem Teil der Module ausgereicht, um die Stromproduktion weitgehend lahmzulegen. Heute beschränkt sich die Leistungsreduzierung auf den tatsächlichen Schattenbereich.

herrsching.online: Wie wirtschaftlich ist inzwischen eine PV-Anlage auf einem nach Norden ausgerichteten Dach?

Mulert: Das hängt von der Neigung des Daches ab. Ein relativ flaches Dach ist besser geeignet als ein steiles. Und wenn dann noch der Strombedarf im Gebäude hoch ist, kann man aus dem Bauch heraus schon sagen: Das wird sich wohl rechnen.

herrsching.online: Um wieviel hat sich die Leistungsfähigkeit der PV-Anlagen verbessert?

Mulert: Konkretes Beispiel: Auf unserem privaten Haus haben wir eine 4,5 KW-PV-Anlage installiert. Mit den modernen Solarpanels könnte man 8 kW an Leistung installieren. Man kann in günstigen Fällen von einer Verdoppelung ausgehen. Es lohnt sich also inzwischen auch, alte Anlagen nachzurüsten. Der Gesetzgeber hat dazu die bürokratischen Voraussetzungen stark verbessert. Ich würde die bestehende, also relativ hohe Einspeisevergütung für die bestehende Leistung von 4,5 kW weiter bekommen, für die zusätzlich gewonnene Energie – in unserem Beispiel aus rund 3,5 kW zusätzlicher Leistung – bekäme ich die aktuelle, niedrigere Vergütung. Das ist jetzt unbürokratisch möglich – vor ein paar Monaten gab es das noch nicht.

Der Stromverbrauch im Landkreis nimmt überraschenderweise nicht zu, während Gas auf dem absteigenden Ast ist. Quelle: Landratsamt STA

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