Medikamente müssen nicht immer in Pillenform kommen: Blühwiesen mit zahlreichen Heilkräutern verdrängen auch in Herrsching nach und nach die kurzgehaltenen Rasenflächen. Wo früher ödes Einheitsgrün das Bild beherrschte, wachsen inzwischen ungezählte Pflanzen heran, von denen viele auch eine heilende Wirkung entfalten. Der Herrschinger Heilpraktiker Stefan Petri hat auf Einladung des Vereins Pro Natur Pflanzenfreude durch die herrliche Blühwiese nördlich der Fischbach-Mündung geführt. „Blühwiesen sind ein sinnlicher Genuss für Augen, Geruchs- und Tastsinn“, schwärmt der Heilpflanzen-Experte, „und sie sind wertvolle Lebensräume für Kleintiere, Insekte und Mikroorganismen.“
Die Vorsitzende des Vereins Pro Natur, Karin Casaretto, hatte die Führung an der Blühwiese zwischen Riederstraße und Seeufer organisiert, das Interesse freilich war überschaubar. Dabei hat der Heilpraktiker Stefan Petri profunde Kenntnisse über die Heilpflanzen und ihre Wirkung. Er identifizierte auf der gemeindeigenen Blühwiese, angelegt vom Bauhof, ein Dutzend Heilpflanzen vom Wiesensalbei über die kleine Bibernelle, die Wegwarte und den Gemeinen Odermennig. Sogar den Gänseblümchen wies er eine medizinische Wirkung zu. Gegen hartnäckigen Husten wie Gebrechen im orthopädischen Bereich, gegen Frauenleiden oder Bronchitis, gegen Appetitlosigkeit und Durchfall ist ein Kraut gewachsen, man muss es nur kennen und in der richtigen Dosierung anwenden. Dabei hilft dann gern der Heilpraktiker Petri, der sehr intensiv mit der Herrschinger St. Nikolaus Apotheke zusammenarbeitet. Dort werde noch die klassische Apotherkunst der Medikamente mit Heilkräutern gepflegt. Über Jahrhunderte habe sich für jede Heilpflanze ein spezielles Wirkspektrum herauskristallisiert, erzählte Petri bei der Führung. Diese Wirkung sei teilweise wissenschaftlich bestätigt worden. „Dieses traditionell gewachsene Wissen über die Heilpflanzen stellt einen riesigen kulturellen Schatz dar, der uns beim Anblick einer Blühwiese wieder bewußt werden kann.“
Solche Blühwiesen, für die man erst einmal seine Sehgewohnunheiten ändern muss, hätten sogar einen soziologischen Nutzen. Sie regten den Betrachter an, sich wieder mit der Natur zu beschäftigen.
Das sieht der Grünplaner der Gemeinde Herrsching, Dietmar Narr, ähnlich. Er will sogar eine „Vernetzung“ selbst kleinster Grünflächen anstoßen. Die reinen Rasenflächen, mehrmals kurzgemäht wie ein Fußballfeld, werden mittelfristig in Herrsching wohl verschwinden – zumindesten auf öffentlichen Flächen. Sie sollen nach den Plänen des Planungsbüros NRT Blühwiesen Platz machen.
Dazu muss aber erst einmal der Oberboden mit Bewuchs bis zu einer Tiefe von 30 Zentimetern entfernt werden. Dann kommen mineralisches Substrat und Kompost auf die Fläche. Schließlich pflanzen die Öko-Gärtner Initialstauden und säen eine spezielle Blumenmischung („Herrschinger Blühmischung“) aus. Die Ansaatfläche wird dann vorsichtig gerecht.
Billig sind solche grünen Paradigmenwechsel allerdings nicht. Narr rechnet mit einem Quadratmeterpreis von 65 Euro. Wird die Wiesenfläche dagegen mit der Fräse bearbeitet, verschlingt der Quadratmeter nur 12 Euro. Übrigens sehr wichtig auch für private Blühwiesen-Planer: Das Mähgut darf man nicht liegen lassen, sonst wird der Boden zu fett. Grünplaner Narr, der auch in der Landeshauptstadt an Blühwiesenkonzepten arbeitet, berichtete stolz, dass München inzwischen auf „jährliche zweischürige Rasenmahd“ umgestellt habe. Das freut nicht nur die Insekten, sondern auch die Steuerzahler.
Der Grünplaner hatte in einer Gemeinderatssitzung Flächen aufgezeigt, die künftig erblühen sollen:
• rund um das Rathaus wird ein Blühstreifen nahe des Feuerwehrhauses aufblühen. Dazu schlug er ein sogenanntes Insektenhotel vor.
• Auch am Bahnhof sollen Rasenflächen durch Blühwiesen ersetzt werden.
• Rieder Straße: Die großen Rasenflächen zwischen Akademischem Segelclub und Madelaine-Ruoff-Straße sollen als blühende Wiesen ein farbenfrohes „Foyer“ der Gemeinde werden. Allerdings wünscht sich Narr nicht nur eine artenreiche Blumenvielfalt zwischen Rieder Straße und See, sondern auch „vertikale Strukturen“. Das ist eine fachliche Umschreibung für Bäume, die Blühwiesen einsäumen könnten.
Diese wunderbare Wiese ist vor mehreren Jahren auf Initiative der ehemaligen Gemeinderätin Rita Mulert, in Zusammenarbeit mit Franziska Kalz, (Beauftragte der Gemeinde für Umwelt und Natur), entstanden. Ein herzliches Dankeschön!
Sollte Frau Kalz nach langer Krankheit wieder in die Gemeinde zurückkehren, würde es sich lohnen, auf ihre Expertiese in Sachen Blühmischung zurückzugreifen.