Radfahrtraining mit Gemeinderat Wolfgang Schneider/ Expertenrat: Lieber gleich mit dem E-Bike üben/Wo Radfahren in Herrsching gefährlich werden könnte//Seniorenbeirat lädt ältere Radfahrer ein///
Radeln in der Ortsmitte – schnell, billig und gefährlich: Die älteren Radfahrerinnen und -fahrer, die am Training mit dem Verkehrsexperten Wolfgang Schneider teilnahmen, waren sich einig: Im Ort fühlen sie sich nicht sicher auf dem Rad. Das liegt nicht an ihren Fahrkünsten, sondern an schmalen Fahrradschutzstreifen, unklaren Verkehrsführungen und mitunter auch an rücksichtslosen Autofahrern. herrsching.online hat mit Wolfgang Schneider, im „Nebenberuf“ auch Dritter Bürgermeister, übers richtige Training, die Gefahren beim E-Bike und über Schleichwege für Radfahrer gesprochen.

herrsching.online: Welche Schwierigkeiten haben ältere Menschen mit und auf dem Fahrrad?
Schneider: Viele ältere Menschen fangen erst im höheren Alter wieder an, Fahrrad zu fahren. Und dann wird’s schwierig, besonders mit den E-Bikes. Viele Radler unterschätzen das Gewicht, das Pedelec ist ja zwischen 25 und 30 Kilo schwer. Dadurch wird natürlich auch das Handling schwieriger. Zusätzlich ist die Grundgeschwindigkeit deutlich höher.
herrsching.online: Eine gute Idee, vorher mal mit einem normalen Bio-Bike zu üben?
Schneider: Nein. Gleich aufs E-Bike steigen und so viel wie möglich üben und Routine bekommen.
herrsching.online: Ein paar Trainingstipps vom Experten?
Schneider. Auf einem großen Autoparkplatz ohne fließenden Verkehr Runden fahren und das Aufsteigen und Absteigen üben. Man kann nicht einfach auf ein E-Bike springen und losfahren. Denn mit einem E-Bike ist man viel schneller auf der Grundgeschwindigkeit. Fürs Losfahren empfehle ich: Pedal hoch, Fuß übers Fahrrad aufs Pedal, in Ruhe umschauen, ob alles frei ist, und erst dann lostreten. Der E-Biker ist nämlich ruckzuck auf 15 Stundenkilometern, was ja beim normalen Fahrrad viel länger dauert.

Alexander Neubacher im SPIEGEL über die Mutationen der Radfahrer: „Es ist erstaunlich, wie schnell aus dem freundlichen Mann, der eben noch mit Hosenklammer am Bein über den Biomarkt schnürt, ein Streetfighter wird, sobald er in den Sattel steigt.“
herrsching.online: Losfahren ist das eine, Bremsen das andere…
Schneider: Klar, ein schwereres Rad hat auch einen längeren Bremsweg. Die meisten E-Bikes haben zwar giftige Scheibenbremsen vorne und hinten. Deshalb muss man die Bremskraft des hinteren und des vorderen Rades auch richtig dosieren. Man bremst vorne mit 70 Prozent Wirkung, hinten mit 30 Prozent. Nur auf Schotterwegen sollte man mehr Power auf die hintere Bremse geben. Aber ich erlebe oft, dass E-Bike-Fahrer nicht einmal wissen, welcher Hebel auf die vordere und welcher auf die hintere Bremse wirkt. Man muss also bewusster und vorausschauender mit dem Rad fahren.

herrsching.online: Nun gelten viele Radler ja als wahre Rambos im Verkehr, obwohl sie die schwächeren Verkehrsteilnehmer sind.
Schneider. Deshalb meine wichtigste Bitte an alle Radler: Gebt dem Autofahrer eine Chance. Klare Verhaltensweisen, dem Autofahrer Zeichen geben, nicht einfach vom Gehsteig runter und gegen die Fahrtrichtung in eine Einfahrt reinschnüren. Grundsätzlich: nicht auf dem Gehsteig fahren, wenn man älter als 10 Jahre ist. Bis zu 8 Jahren müssen Kinder übrigens auf dem Gehsteig fahren, bis 10 dürfen sie es. Alle anderen Radler haben auf dem Gehsteig nichts verloren. Erst gestern hab ich’s in München wieder am Steuer eines Busses erlebt. Die Radler schießen vom Gehsteig runter auf die Fahrbahn, dass du gar nicht genug Augen hast, um die alle zu registrieren. Es ist meine große Vision: Der Fahrradfahrer nimmt auf den Autofahrer Rücksicht – und umgekehrt.
herrsching.online: Deshalb haben auch die Unfälle mit Pedelecs dramatisch zugenommen. Jede Woche melden die Polizeiinspektionen Herrsching und Dießen mindestens einen Unfall mit E-Bikes.
Schneider: Das liegt aber auch daran, dass der Radverkehr dramatisch zugenommen hat. Und wo mehr Verkehr ist, kann auch mehr passieren.
herrsching.online: Wo müssen sich Radfahrer in Herrsching besonders in Acht nehmen?
Schneider: Zum Beispiel an der Einmündung Mühlfelder Ecke Bahnhofstraße. Statt die Ampel zu respektieren, fahren die Radfahrer über den Gehweg. Wie soll ein Autofahrer das Gewusel überblicken können. …?
herrsching.online:.. Der Fahrradschutzstreifen hört abrupt auf und entlässt die Radler in die freie Wildbahn…
Alexander Neubauer im SPIEGEL über das neue Selbstbewusstein der Radler: „Außer mit ignoranten Autofahrern hat es der Fußgänger jetzt auch mit Kampfradlern, Pedelec-Senioren und Weltrettern auf zwei Rädern zu tun.“
Schneider. Der Fahrradschutzstreifen ist grundsätzlich keine Zwangsbahn für Radler, er muss da nicht zwingend mit dem Rad fahren. Der Streifen hat in erster Linie die Funktion des Parkverbots für Autofahrer, damit die Radfahrer nicht dauernd um die Autos herumfahren müssen. Und warum hört er an der Mühlfelder auf? Ganz einfach, das haben die Geschäftsleute durchgesetzt, damit die Parkplätze nicht wegfallen. So einfach liegen die Dinge manchmal.
herrsching.online: Und an der Bahnschranke ist die Regelung auch vogelwild. Da müssten die Radfahrer auf der Rieder Straße nach links quer über die Fahrbahn wechseln, um die Fahrt dann auf dem Radweg links der Straße fortzusetzen. Das ist bei offener Bahnschranke ein suizidaler Move…
Schneider: Eigentlich ist ja geplant, dass die ganze Rieder Straße den Schutzstreifen bekommt. Aber die Leute müssen halt ein bisschen vorausdenken. Wenn ich vom Bahnhof komme, fahre ich an den Gleisen entlang und bin an der Schranke schon auf der linken Seite.
herrsching.online: Also lautet Ihre Empfehlung: Nicht die Rieder Straße zur Bahnschranke nehmen, sondern auf der Bahnhofstraße fahren und nach rechts in die Ladestraße abbiegen? Dann ist man, wie Sie sagen, an der Schranke auf der linken, also der richtigen Seite…
Schneider: … Ja, in Herrsching gibt es viele kleine Wege, die man mit dem Fahrrad gefahrlos nutzen kann. So erspart man sich viele Hauptstraßen. Ganz neu ist der gefahrlose Fahrradweg von der Feuerwehr auf dem Neuhauser Weg, der sich gabelt. Der neue Ast mündet genau an der Querungshilfe in der Ladestraße. Wenn man die überquert, ist man schon auf dem Fuß- und Radweg der Bahn entlang Richtung Rieder Straße.
herrsching.online: Viele ältere Radfahrer beklagen sich, dass die Fahrradschutzstreifen zu schmal sind.
Schneider. Ja. Aber der Fahrradschutzstreifen ist – wie gesagt – kein Fahrradweg. Er soll, wie schon gesagt, das Parken verhindern. Aber der Autofahrer muss zu Radfahrern auf den Schutzstreifen einen Abstand von 1,5 Metern einhalten. Es gab ja mal die Schwimmnudeln, die man quer auf den Gepäckträger geklemmt hat, um den Autofahrern anzuzeigen, wieviel Abstand sie halten müssen. Das muss einfach mal in alle Köpfe rein.
Ich beobachte immer wieder, dass auch E Bike Fahrer meines Alters (ich bin 72 Jahre) permanent mit Turbo Unterstützung fahren. Auf der Ebene ist das ziemlich schnell und birgt ein erhöhtes Unfallrisiko. Am Berg bin ich sehr dankbar für die elektrische Unterstützung. Ansonsten fahre ich mit so wenig Elektrounterstützing wie nötig. Ich will mich körperlich fit halten und habe in der Regel auch mehr Zeit für meine Radausflüge. Wenn ich dabei auch von „Bioradlern“ überholt werde, stört mich das nicht. Das E Bike ist eine großartige Erfindung, die ich sei 9 Jahren intensiv nutze und mir sehr viel Lebensqualität gibt. Der einzige Sturz war fremd verursacht, als mir ein Autofahrer auf der Hauptstraße die Vorfahrt nahm. Zum Glück ist der Zusammenstoß sehr glimpflich abgelaufen.
Ich wünschte mir für Herrsching mehr sichere Radwege!
Einen Dank für eine Berichterstattung, die zumindest stückweise pro Fahrrad ist. Warum aber solche Negativzitate von Herrn Neubauer und diese Beispiele von „bösen“ Radlern die Herr Schneider anbringt? Diese verstehe ich nur aus dem Blickwinkel eines uneinsichtigen Auto- oder Busfahrers. Von einem „Verkehrsexperten“ würde ich Argumente erwarten, die pro Fahrrad sprechen. Nur so kann die Verkehrswende, die sich die Bürger ja im bereits dritten! Verkehrskonzept gewünscht hatten, vorwärts gebracht werden. Tricks wie man schlechte Infrastruktur umgeht, sind wohl eher als Armutszeugnis zu sehen.