Entstünde ohne Bebauungsplan auch unterhallb der Schönbichlstraße ein „Klein-Manhattan"?

Grüne und BGH können doch noch siegen

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Mit der SPD-Stimme retten Grüne und BGH die Bebauungspläne zwischen Schönbichl- und Mühfelder Straße/CSU, FDP und Bürgermeister wollten Pläne aufheben/Guggenberger: Kein Klein-Manhattan schaffen/Nachverdichtung auch mit Bebauungsplan möglich///

Die Arbeitsgruppe für Landnutzungsplanung (AGL) schlug der Gemeinde vor, in den rot markierten Zonen die Bebauungspläne 11 und 12 aufzuheben. Für die Bereiche entlang der Schönbichlstraße sollten Änderungen dafür sorgen, dass die „besondere Bausubstanz und Grünordnung“ erhalten bleibt. Der noch gültige Bebauungsplan 11 gilt für das Gebiet südlich der Nikolausstraße zwischen Schönbichlstraße, Schützenweg und Mühlfelder Straße, der Plan 12 für die Zone zwischen Mühlfelder Straße, Schützenweg, Schönbichlstraße und Panoramastraße.

Wenn’s schwierig wird, hilft die Kettensäge: Weg mit dem Baum, weg mit dem Plan. Dieses probate Mittel brachte die „Arbeitsgruppe für Landnutzungsplanung“ (AGL) für Teilbereiche der Bebauungspläne 11 und 12 ins Spiel. Das Büro schlug in einer Stellungnahme vor, „die gekennzeichneten Teilbereiche der Pläne 11 und 12 aufzuheben und für die Bereiche entlang der Schönbichlsstraße Änderungsverfahren der Bebauungspläne durchzuführen.“

Auslöser des Vorschlags war der Wunsch, den Haus- und Grundstücksbesitzernin den Teilbereichen (siehe Karte) der Schönbichlstraße mehr Baurecht zu gewähren. Die sogenannte „Nachverdichtung“ ist in Deutschlands Rathäusern gerade schwer in Mode. Draufsatteln, Drankleben, Tiefstapeln bei Bestandshäusern gelten als Mittel der Wahl gegen die Wohnungsnot – und für die Auftragsbeschaffung des Handwerks.

Städtebauliche Steuerung in 34er-Gebieten ist schwach

Statt nun die Bebauungspläne zu aktualisieren und den „neuen Erfordernissen“ anzupassen, schlägt die Arbeitsgruppe vor, in Teilbereichen den berühmt-berüchtigten Paragrafen 34 anzuwenden: Gilt dieser Artikel 34 – von Kritikern als „Copy-and-paste-Paragraf“ bezeichnet – dann fragen die Genehmigungsbehörden lediglich,

• was für eine Art der baulichen Nutzung und

• welches Maß der baulichen Nutzung beantragt wird und

• ob sich diese in die nähere Umgebung einfügt.

Der Bauausschuss einer Gemeinde und die übergeordnete Baubehörde im Landratsamt müssen also lediglich prüfen, ob sich die Bauvorhaben „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen.“ Ein Haus in der näheren Umgebung genügt als Bezugsobjekt, und sei es noch so scheußlich. Eine ehemalige Bürgermeisterin behauptet sogar, dass sich ein Bauwerber in Herrsching auf einen Schwarzbau in der näheren Umgebung bezogen habe.

Der Paragraf ist deshalb so umstritten, weil er den Gemeinden nur

• schwache Steuerungsmöglichkeiten einräumt und

• keinen „baukulturellen Einfluss“ erlaubt.

Stadt- und Gemeinderäte haben mit dem Paragrafen 34 also wenig Einflussmöglichkeiten, wie Matthias Simon, Referent für das öffentliche Baurecht beim Bayerischen Gemeindetag, im Interview mit herrsching.online einräumt. „ Der Paragraf 34 Baugesetzbuch hat in der Tat eine systemimmanente Tendenz zum langsamen Hochschaukeln. Eine Stadt, eine Gemeinde, die ihre Entwicklung nur über den Paragraf 34 Baugesetzbuch steuert, wird sich über die Jahrzehnte hinweg wahrscheinlich nachverdichten“, sagt Simon im Interview.

„Bauherren gehen sorgfältig mit Baurechten um“

Gemeinderat Johannes Puntsch. Foto: Gerd Kloos

In der Bauausschuss-Sitzung am Montagabend plädierte der Architekt und FDP-Gemeinderat Johannes Puntsch für eine Abschaffung der Bebauungspläne. „Die Pläne waren wunderbar, sind aber in die Jahre gekommen“, sagte der Architekt. Der Streifen unterhalb der Schönbichlstraße habe noch erhebliches (Bau-)Potenzial. Er verstehe die Angst vor dem Paragrafen 34 nicht, gingen doch private Bauherren sorgfältig mit den Baurechten um.

CSU-Rat Roland Lübeck setzte sich ebenfalls für die Abschaffung der Bebauungspläne ein.

Christiane Gruber, in den Sitzungen immer wieder die Patronin der Schönbichlstraße, verwies in ihrer Erwiderung auf die „abschreckenden Beispiele“ überhalb der Straße (Anmerkung: südöstlich der Straße gibt es für weite Strecken keinen Bebauungsplan, hier wird nach Paragraf 34 verfahren). Westlich der Straße mit den B-Plänen 11 und 12 gebe es einen durchgrünten Bereich. Nach diesem Statement entwickelte sich ein kleiner Disput zwischen Gruber und Bürgermeister: „Der grüne Bereich gehört der Gemeinde“, entgegnete Schiller. „Es ist nur eine Schauer-Story, dass ruckzuck alle Bäume wegkommen.“

Christiane Gruber, Sprecherin der BGH

SPD-Gemeinderat Wolfgang Schneider stellte sich in seinem Statement klar hinter die Beibehaltung der Bebauungspläne: „Für mich gilt der Vertrauensschutz, dass sich Bürger auf Pläne verlassen können.“ Man brauche zwar eine Nachverdichtung in dem Bereich, aber im Rahmen der fortgeschriebenenen Bebauungspläne.

Auch Christoph Welsch, Architekt und Gemeinderat der Grünen-Fraktion, sprach sich klar für Bebauungspläne aus. „Ein Bebauungsplan ist ein ortsprägendes Mittel.“ Er wisse nicht, warum ausgerechnet der Paragraf 34 das geeignete Mittel zur Nachverdichtung sein solle.

„Kein Klein-Manhattan schaffen“

Ihm zur Seite sprang dann noch der BGH-Gemeinderat Rainer Guggenberger, der sich fragte, warum man denn die Bebauungspläne wegwerfen wolle. „Meistens wird in einem Gebiet ohne B-Plan, also nach Paragraf 34, dass Maximale herausgeholt. Ich bin dagegen, dass man in dem Gebiet noch ein Klein-Manhattan schafft.“

Christoph Welsch

Der grüne Gemeinderat Gerd Mulert vermutet ebenfalls, dass sich sehr viel verändern werde, wenn die Bebauungspläne abgeschafft würden. „Dann werden sich die Bauwerber an den Bausünden der vergangenen Jahre orientieren.“

Nachdem die Fronten geklärt waren und sich eine Mehrheit gegen die Abschaffung der Pläne abzeichnete, ließ der Bürgermeister 3 Vorschlage abstimmen.

SPD-Stimme rettet Bebauungspläne

  1. Die Bebauungspläne 11 und 12 werden aufgehoben. Dieser Vorschlag wurde mit den Stimmen der Gemeinderäte Rasmussen, Mulert, Welsch (Grüne), Gruber und Guggenberger (BGH) und Schneider (SPD) abgelehnt. Für die Abschaffung stimmten die Räte Bader, Lübeck, Bischeltsrieder (CSU), Puntsch (FDP) und Bürgermeister Schiller. Ergebnis: 6 Stimmen für die Erhaltung der B-Pläne, 5 dagegen.

2. Auch eine Teilabschaffung der Bebauungsspläne wurde abgelehnt. Diese Zonen-Abschaffung wurde von der AGL vorgeschlagen.

3. Die Angaben der Wohneinheiten in den Plänen wird dagegen gestrichen.

Gag am Rande: Die Arbeitsgruppe wollte die Bebauungspläne auch abschaffen, um die „Genehmigungsprozesse zu beschleunigen“. Das Landratsamt dagegen rüffelte die Gemeinde bei einem Bauvorhaben, dass der Paragraf 34 „einen hohen Verwaltungsaufwand verursacht“. Die Praxis widerlegt die schöne Theorie der akademischen Planer.

5 Comments

  1. Ich danke Herrn Schneider (SPD) für den Mut, sich in dieser Sache gegen die Pläne von Herrn Schiller zu stellen.

  2. Wie ist diese gegensätzliche Gedankenwelt unseres
    1. Bürgermeisters Christian Schiller und der Parteimitglieder von CSU und FDP nur möglich? So dass sie in ihrer Sitzung am Montag wahrhaftig für die Abschaffung der Bebauungspläne an der Schönbichlsstrasse stimmen konnten? Beteuern sie doch gleichzeitig immer wieder, dass ihnen Baumschutz und Naturerhalt in Herrsching am Herzen liegen?
    Wissend, dass der Paragraph 34 im Baugesetz alle baulichen Verschandelungen, die Vernichtung aller Pflanzen und eine Versiegelung der gesamten Grundstücksflächen zulässt? Beispiele gibt es aus den letzten Jahren genug dafür.
    Das soll noch einer verstehen können!
    Grosser Dank gebührt dagegen den Parteimitgliedern von Grünen, BGH und SPD! Sie konnten ja Gott sei Dank diese Abschaffung der Bebauungspläne mit ihren Gegestimmen verhindern! Und so bleibt dem Gemeinderat doch hier erfreulicher Weise noch ein gewisser Gestaltungsspielraum für maßvolles Bauen. Und den Erhalt von Blumen, Büschen und Bäumen.

  3. Ortsentwicklung und Bebauung sind kein Spiel mit Gewinnern und Verlierern. Es mag im Sport und bei Wahlen genügen, so vereinfacht zu denken. In der Sache sollten sich alle Gemeinderäte einschließlich Buergermeister, der Gefahr von gravierenden Fehlentscheidungen bewußt sein. Es wäre leichtfertig gewesen die Bebauungsplaene aufzugeben.

  4. Es ist schon so viel städtebaulicher Schaden angerichtet worden durch die beinahe ungezügelte Bebauung östlich der Schönbichlstraße.
    Deshalb bin ich sehr erstaunt, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, die Bebauungspläne für die Grundstücke auf der anderen Seite komplett aufzuheben. Wie kann man dieses Steuerungsinstrument leichtfertig aus der Hand geben?
    Es ist schon schlimm genug, was innerhalb von Bebauungsplänen an geschmacklichen Fehlentwicklungen möglich ist. Bei Gültigkeit von §34 unterhalb der Schönbichlstraße wäre der gleiche Wildwuchs zu befürchten, wie man ihn so augenfällig auf der anderen Straßenseite beobachten kann.

  5. Der „sorgfältige Umgang der Bauherren mit dem Baurecht gem. § 34“ wurde dann in den nachfolgenden Tagesordnungspunkten sehr deutlich dokumentiert. Nahezu allen Vorbescheiden wurde das gemeindliche Einvernehmen verweigert, da die Projekte deutlich zu groß geplant wurden.

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