Selten war ein Pfarrer in Herrsching politischer: Ulrich Haberl, schon in München für seine gereimte Faschingspredigt wohlbekannt, setzt die Tradition in der Seegemeinde fort. Er muss an Fasching einfach „jeden Scherz/in diese blöden Reime pressen/ und sich beim Dichten so sehr stressen“.
Herrsching, was hast du für ein Glück, der Narrenpfaffe ist zurück. Seinen Versen entkommt kein Bürgermeister, kein Habeck und kein Lindner, sogar die Ehefrau des närrischen Dichters oder dichtenden Narren kommt in seinen Reimen vor. Die „Hütte war voll“ in der Erlöserkirche, sogar mit Gästen von der Konkurrenz: „Ich meine fast/ich könnt erblicken/vereinzelt ein paar Katholiken/die heut vom rechten Pfad abwichen/und zu den Lutherischen schlichen. Dass ihr „fremdgeht“, kann ich verstehn/ Auch ihr wollt mal ´nen Narren sehn.“
Wie es sich in der Bütt gehört, wird auch Lokales gern zerstört. „Beim Thema „Baumschutzkonzept“ …Ihr wisst´s vielleicht: In Herrsching steppt wie ein ganz wild geword´ner Bär/der Streit darüber hin und her. Man meint ja fast, in diesen Zeiten/ wär Zanken Mode. Sich zu streiten, unnachgiebig und bis auf´s Blut. Ob das dem Dorf dann so gut tut?“
Sogar die Bummel-S-Acht packt er in einen Reim: „Und auch bei Regen, Frost und Nacht/würden die Fahrten der S8/fahrplanmäßig in Herrsching enden/und nicht in Germering schon wenden.“

Und weil Narrenreden immer die Obrigkeit derblecken, gab der geistliche Narr auch dem Bürgermeister mit eins auf den Weg: „Obwohl – die Bäume zu beschützen/würde der Welt schon mal viel nützen./Herr Schiller, das musste noch raus. Hoffentlich läuft jetzt keine Laus/über des Bürgermeisters Leber.“
Wer jetzt Zweifel an der theologischen Zulässigkeit einer Narrenpredigt hat, der schlage im Ersten Korintherbrief (3,18) nach: „Wer unter euch meint, weise zu sein in dieser Welt, der werde ein Narr, dass er weise werde.“

Hier der gesamte Text der Narrenpredigt von Ulrich Haberl
Der Narr kriegt die Krise
Hellau allerseits!
Was für ein toller Anblick heute!
Die Hütte voll. Die fromme Meute
hockt da, und ist – ganz ungelogen –
gespant gleich wie ein Flitzebogen.
Herrsching, was hast du für ein Glück!
Der Narrenpaffe ist zurück.
Mit Schellenklang und Narrenkappe
stürmt er die Kanzel, reißt die Klappe
weit auf und schleudert seine Reime,
so wie die Grippe ihre Keime,
ins dichtgedrängte Publikum.
Der Narr´nvirus bringen keinen um.
Er soll zum Nachdenken und Lachen
anstecken und auch Hoffnung machen.
Bevor wir jetzt zum Hauptteil düsen,
sollten wir uns erst mal begrüßen.
Ob Kind, Kegel, Mann oder Frau
lasst hör´n das närrische …
Wer sagt´s denn? Das klang recht fidel.
Und hatte mächtig Dezibel.
„Herzlich willkommen!“, sag ich allen.
Wobei mir nicht alle gefallen.
Besonders gut kann ich die leiden,
die sich für mich sogar verkleiden.
Ich bitte die Maskierten eben
sich ohne Scheu jetzt zu erheben.
Wollt ihr euch noch im Kreise dreh´n?
Dann können euch alle gut seh´n
und die Kostüme jetzt goutieren
mit frenetischem Applaudieren.
So viele fromme Faschings-Seelen
Wahrscheinlich nicht nur Evangelen!
Ich meine fast ich könnt erblicken
vereinzelt ein paar Katholiken,
die heut vom rechten Pfad abwichen
und zu den Lutherischen schlichen.
Dass ihr „fremdgeht“, kann ich versteh´n.
Auch ihr wollt mal ´nen Narren seh´n.
Euch hat die Hoffnung wohl befeuert,
der Pfaffe hier wär leicht bescheuert.
Damit liegt ihr nicht ganz daneben.
Ein schlichter Pastor will im Leben
halt nicht nur brav sein, auch was wagen
und mal über die Stränge schlagen.
Ihr abtrünnigen Katholiken
Der Narr grüß euch voller Entzücken.
Grüßt ihn zurück, laut und nicht mau
mit ökumenischem …
Ihr seid in diesem Gotteshaus
herzlich Willkommen mit Applaus!
Man munkelt ja, dass sogar Heiden,
die sonst den Kirchgang streng vermeiden,
im Fasching ´ne Ausnahme machen
und gern mit Christenmenschen lachen.
Sollte der Narr gar Atheisten
am Faschingsmorgen aus den Kisten
gelockt haben unter die Frommen?
Dann seid auch ihr herzlich willkommen!
Weil Gott, wenn´s ihn tatsächlich gibt,
bestimmt auch Atheisten liebt.
Sind also Heiden heut zu Gast,
damit der Narr auch sie bespaßt,
lasst euch mal hören, macht Radau
mit heidenmäßigem …
Der Bürgermeister
Jetzt lass ich meinen Blick noch wandern:
Ob ich den einen oder andern
aus der Herrschinger Hautevolee
in unsrer Faschingskirche seh´?
Potzblitz! Da sitzt ein hochgepreister
und leibhaftiger Bürgermeister.
Wenn ich ihn ganz freundlich anschau´,
vielleicht grüßt er mich mit …
„Helau!, Herr Schultheiß!“, ruf ich auch.
So ist es zwischen Narren Brauch.
Wie heißt er gleich noch mal? … Ach: Schiller!
Ich frage mich ja schon: Was will er,
im Kircherl von uns Lutherischen?
Will er hier gar nach Stimmen fischen,
nach Rückhalt für die nächsten Wahlen?
Bei den höchst marginalen Zahlen
von Protestanten hier in Bayern …
Auf unsern Feiern rumzueiern,
lohnt sich für Walkampfzwecke never.
Vielleicht sucht er stattdessen clever
Inspiration im Gotteshause
für seine große Schiller-Sause.
Denn im April, gar nicht mehr lang,
lädt Herrsching zum Jahresempfang.
Pfarrer Ulrich Haberl: Narrenpredigt 2024 3
Vielleicht, dass er deshalb auftaucht,
weil er vom Narr´n Nachhilfe braucht
in Sachen Schowbiz und Humor.
Doch käme mir das seltsam vor.
Der Bürgermeister ist kein Doofi
in dieser Hinsicht, sondern Profi,
ein Entertainer vor dem Herrn.
Und darum liegt es total fern
zu denken, er gehört zu denen,
die sich ´nen Narr´n zum Vorbild nehmen.
Doch warum ist das „höchstes Tier“
von Herrsching denn dann heute hier?
Vielleicht will er sich von den Pflichten,
die oft wie Bergen sich aufschichten,
hier mal erholen, – will mal träumen
von irgendwas – nur nicht von Bäumen.
Denn beim Thema „Baumschutzkonzept“ …
Ihr wisst´s vielleicht: In Herrsching steppt
wie ein ganz wild geword´ner Bär
der Streit darüber hin und her.
Man meint ja fast, in diesen Zeiten
wär Zanken Mode. Sich zu streiten,
unnachgiebig und bis auf´s Blut.
Ob das dem Dorf dann so gut tut?
Höhenflug und Absturz
Drum hat der Narr zunächst gedacht,
dass er heut´ nur auf heiter macht.
Dass er ausschließlich angenehme
Dinge erwähnt. Keine Probleme!
Nur Späßchen. Ein Predigtsoufflee
fluffig und leicht wie Eierschnee.
Kein ernstes Wort. Leichter Genuss
und Reime wie aus Zuckerguss.
Ich wollt´ mit euch die Augen schließen
vor diesen vielen fiesen Krisen,
die uns in diesen derben Zeiten
so herbe Sorgen oft bereiten,
die bröckeln lassen unsren Glauben
und uns manchmal die Hoffnung rauben.
Ach je! Jetzt hab´n wir den Salat.
Ich spür´ so eine Schwere grad.
Die Narrenpredigt wollte eben
in rosarote Sphären schweben,
um dort nichts anderes zu suchen
als Friede, Freude, Eierkuchen.
Doch sie gerät in harte Böen,
stürzt ab aus phantasmischen Höhen
bis sie aufschlägt und hart zerschellt
am Boden der realen Welt.
Und der Pilot ist zwar nicht tot.
Jedoch, die Stimmung ist bedroht.
Jetzt merk´ ich: Meinem Narrenherzen
ist heut´ gar nicht nach lock´ren Scherzen.
Krisen über Krisen!
Klar wär´ es cooler, wir genießen
das Leben gänzlich ohne Krisen
und ohne Unannehmlichkeiten.
Doch fürchte ich, unsere Zeiten
sind nicht danach. Im Gegenteil!
Es ist recht ungemütlich, weil
eine Krise die andre jagt,
was ziemlich an der Stimmung nagt.
Ein Kreis sachkundiger Juroren
hat im Dezember auserkoren
das Wort des Jahres 23.
Auf Nummer 1 der Liste fand sich:
„Krisenmodus“. Das soll wohl sagen:
Wie wir uns so durchs Leben schlagen
zwischen Corona, Krieg und Klima …
Es läuft gerade nicht so prima.
Das Land ist ziellos und es stolpert.
Fast jeder merkt, dass vieles holpert.
Missbrauch in der Ev. Kirche
Ja, auch wir stolzen Evangelen
müssen uns jetzt durch Krisen quälen,
beim Missbrauch in Abgründe blicken
wie vorher nur die Katholiken.
Viel zu lang waren wir bequem
und haben nicht recht hingeseh´n.
Missbrauch bei uns? Das lag uns ferne.
Wir sind doch die hippe, moderne
Version von Kirche und von Glauben.
Hier kann der Pfarrer sich erlauben
frei ohne Zölibat zu leben.
Und deshalb dachten wir bis eben,
bei uns wäre kaum was passiert.
Jetzt endlich haben wir kapiert:
Die Kirche und Diakonie
war für so viele Menschen nie
Pfarrer Ulrich Haberl: Narrenpredigt 2024 4
ein sich´rer Ort. Denn genau dort
gab es Missbräuche fort und fort.
Denkt man daran, wird einem kalt.
Und über viele Jahre galt
den Opfern kaum Fürsorge. Nein
man war bedacht oft ganz allein
auf den Ruf der Institution.
Betroff´ne finden das als Hohn.
Man forderte – total daneben! –,
sie sollten endlich mal vergeben.
Wer so leicht von Vergebung spricht,
der kennt den Ernst des Lebens nicht.
Närrisches Prokrastinieren
Wohin der Blick auch immer tingelt.
Wir sind von Krisen dicht umzingelt.
‚Womit so Krisen meistens starten?‘,
fragst du? Mit Nichts-Tun oder Warten.
Das hat der Narr in schweren Stunden
erforscht und selbst herausgefunden.
So Ehe-mäßig lief es nämlich
vor ein paar Wochen richtig dämlich
beim Narren und bei seiner Frau.
Die Närrin sprach zu ihm: „Du, schau,
ich werd´ ein paar Tage verreisen.
Da könntest du mir mal beweisen,
dass du ein guter Gatte bist,
der im Haushalt fast nichts vergisst.
Bring bitte Müll und Altglas raus
und lüfte ab und zu das Haus!
Es muss ja nicht blitzen und blinken.
Jedoch, es soll halt auch nicht stinken
und nicht vor Dreck und Unrat starren.
Verspricht du das?“, fragte den Narren
die Närrin. „Es wär´ halt mein Glück,
wenn von der Reise ich zurück
käme, und alles wär´ adrett
und sauber. Bitte sei so nett!“
Die Närrin recht glücklich zu machen,
hat für den Narr´n vor allen Sachen
auf dieser Welt Priorität.
Das Glück der Närrin, ja das steht
für ihn an allererste Stelle.
Drum antwortet er auf die Schnelle
und säuselt: „Ich versprech dir, Mäuschen: Wenn du zurückkommst, wird das Häuschen nicht müffeln, sondern proper duften. Dafür werde ich täglich schuften. Ich werde nicht nur alles putzen, sondern auch noch die Rosen stutzen. Im Garten auch den Rasen mähen und den Salat im Beet aussähen. Dann schnapp´ ich mir die Einkaufstaschen. Wenn du heimkommst, gibt’s was zu Naschen. Reis du nur los ganz ohne Sorgen. Mein Haushaltspensum start
ich morgen.“
Beseelt sinkt er in dieser Nacht
ins Bett. Als hätt´ er schon vollbracht
in Haus und Garten all die Sachen,
die Närrinnen halt glücklich machen.
Wenn sie heimkommt, wie wird sie staunen!
Sie wird ihm zärtlich ins Ohr raunen:
‚Jetzt bist du auf der ganzen Welt
für mich der allergrößte Held!‘
Ganz sicher gibt es dann zum Schluss
für den Narr´n einen fetten Kuss.
Und später dann, nach dem Dessert,
vielleicht auch noch ein bisschen mehr.
Von diesen erotischen Dingen
kann ich nur Andeutungen bringen.
In diesen hochheiligen Hallen
könnte das manchem sonst missfallen.
Am Tag darauf scheint dann die Sonne.
Da denkt der Narr: Es wär ´ne Wonne
und würd´ den Tag so richtig adeln,
rund um den Ammersee zu radeln.
Am zweiten Tag ruft dann der Knut
an. Man beschließt, dass es gut tut,
wenn Freunde chillen und daneben
ein, zwei oder drei Bierchen heben.
Jetzt muss ich die Sache abkürzen.
Wir seh´n den Narr´n ins Unglück stürzen.
Täglich schiebt er weiter hinaus
den Putz im Garten und im Haus.
Und dann kommt, wie man ahnt, die doofe,
weil unnötige Katastrophe:
Die beste Ehefrau von allen
lässt schreiend ihren Koffer fallen.
Sie schaut auf das ganze Schlamassel.
Durchs Bad kriecht grad ´ne Kellerassel.
In Körben und in Einkaufstaschen
türmen sich leer getrunk´ne Flaschen.
Pfarrer Ulrich Haberl: Narrenpredigt 2024 5
Im Kühlschrank herrscht gähnende Leere.
Das krönt schlussendlich die Misere.
Statt Küssen gibt es eine fiese
und ausgewachs´ne Ehekrise.
Der Narr denkt sich: Mensch, so ein Frust.
Ich hab´s von Anfang an gewusst!
Hätte ich gleich was unternommen,
wär die Krise gar nicht gekommen!
Krisen sind ziemlich dialektisch.
Erst tut man nichts, dann wird es hektisch.
Verlorene Jahre
Das gilt nicht nur für´s Eheglück.
Sondern auch für die Politik.
Nach etlichen verlor´nen Jahren
muss Deutschland das schmerzlich erfahren.
Hätte man die Infrastruktur
ein bisschen regelmäßig nur
erneuert und sorgsam gepflegt,
hätte man darauf Wert gelegt,
dann kämen bei der Deutschen Bahn
die Züge heute pünktlich an.
Und auch bei Regen, Frost und Nacht
würden die Fahrten der S8
fahrplanmäßig in Herrsching enden
und nicht in Germering schon wenden.
Wenn man so quer durch Deutschland schaut:
Da hat sich manches aufgestaut.
Im Digitalnetz gibt es Lücken.
Im Straßennetz marode Brücken.
Man hört auch, manche Schultoiletten
wären ganz grauenvolle Stätten.
Das macht das Leben unbequem
und ist extrem unangenehm.
So richtig große Sorgen machen
dem Narr´n jedoch ganz and´re Sachen.
Seit Jahrzehnten weiß jedes Kind,
dass Menschen auf dem Holzweg sind,
die durch Konsum, Fliegen und Rasen
zu viel von den fosilen Gasen
in die Erdatmosphäre pumpen.
Doch lang ließ man sich da nicht lumpen.
Man wusste: Nötig und echt schlau
wäre der zügige Umbau
von Produktions- und Lebensstil.
Doch unternahm man lang nicht viel.
Erst jetzt mit Hitze, Sturm und Fluten
hört man die Krise lautstark tuten.
Die Ampel
Viele hofften auf Rot / Gelb / Grün.
Die wollten sich doch drum bemüh´n,
das Land recht mutig zu erneuern,
es auf ´nen guten Weg zu steuern.
Ein schickes Selfie wurd´ geschossen
Grün-Gelb – noch ohne die Genossen.
´Ne „Zukunftskoalition“ –
das klang vor gut zwei Jahren schon
nach Aufbruch. Und es lief auch echt
am Anfang gar nicht mal so schlecht.
In gut beheizten Stuben saß
Deutschland trotz des Boykotts beim Gas.
Doch bald begann dann bei der Ampel
das leidige Herumgestrampel.
Es gibt da nämlich so zwei Herr´n,
die gerne uns die Welt erklär´n.
Sonore Stimmen, ernster Blick.
Das hat schon irgendwie ´nen Kick.
Der eine lächelt überlegen.
Der andre kann das Herz bewegen.
Wenn der Narr eine Närrin wäre …
Nein! – Das passt jetzt nicht, diese Sphäre.
Vom Robert und vom Christian,
hört man gern jede Schlauheit an.
Zwei herausragende Strategen!
Die könnten doch ein großer Segen
fürs Land sein. Doch zum Gegenteil
ist es geworden deshalb, weil
die beiden unheimlich gescheiten
Polit-Beaus sich ständig zerstreiten.
Es gibt ´nen dritten noch im Bund.
Vielleicht läuft es mit ihm ja rund?
Der sprach einst laut vor aller Welt,
„Wenn man bei mit Führung bestellt …“
Den Satz muss ich nicht fertig machen.
Ihr wisst schon jetzt den Grund zum Lachen.
Der Robert will Innovationen
ankurbeln mit vielen Millionen.
Die Wirtschaft, sagt er, wird sich mausern,
wenn unser Staat aufhört zu knausern.
Der Christian warnt vor Gefahren.
Er meint der Staat soll besser sparen.
Pfarrer Ulrich Haberl: Narrenpredigt 2024 6
Ich gebe euch ein Gleichnis mal:
Wenn man Bremse und Gaspedal
zugleich mit voller Kraft durchtritt
bei einem Auto … . Das ist Shit.
Es macht viel Krach und qualmt und stinkt.
Jedoch der ganze Aufwand bringt
die Kiste halt niemals ins Rollen.
Und jeder fragt sich: Woran sollen
wir uns denn jetzt orientieren?
Wohin soll diese Reise führen?
Ne Ampel nützt uns allen sehr
wenn sie klar zeigt, wie der Verkehr
abläuft. Sie soll Regeln festlegen
Dann kann sich jeder gut bewegen.
Doch blinkt ´ne Ampel wirr und irre,
dann macht sie einen total kirre.
Grün und Gelb flackern hektisch auf.
Wer macht sich da ´nen Reim noch drauf.
Rot hab´n wir lang nicht mehr geseh´n.
Egal, auch so bleibt alles steh´n.
Gesellschaft im Krisenmodus
Oh weh! Jetzt schwirrt mir armem Tropf
unter der Kappe wirr der Kopf.
Ich glaub´, so geht´s nicht nur dem Narren.
Ganz viel hab´n im Hirn ´nen Sparren.
Wirre Gedanken und auch Angst
wohin du schaust, wohin du langst.
Man spürt so eine schrille Panik
wie vorm Eisberg auf der Titanic.
Aus Sorgen, die wir gut versteh´n,
meint mancher: Ins Museum geh´n,
dort Suppe auf ein Bild zu werfen,
oder Püree oder Konserven …
Das könnte, wenn´s auch nicht gefällt,
beitragen zur Rettung der Welt.
Die Stimmung ist gereizt und bitter.
Auf Facebook, Tiktok oder Twitter
wird Hass und Häme rausgekotzt.
Man fühlt sich stark, wenn man fies motzt.
Die Intellektuell verkürzten
schreien nach Lösungen … Die stürzten
das Land schon einmal ins Verderben
in Krieg, Mord, unsagbares Sterben.
Ganz sicher wird am deutschen Wesen
die Welt auch diesmal nicht genesen.
Ein andrer Blick
Ach, denkt der Narr, hätt´ ich doch nur
heut umgesetzt ganz schlicht und stur
als Predigt die erste Idee:
das mit dem fluffigen Soufflee,
mit Eierschnee und Zuckerguss.
Dann wäre ich schon längst am Schluss.
Die Stimmung hier würde nicht schwächeln.
Ihr würdet wie ´ne Barbie lächeln.
Wir müssten uns nicht so rumplacken
mit einer Welt voll Dell´n und Macken.
Sie ist, darauf möchte ich wetten,
doch sowieso nicht mehr zu retten.
Ich lasse mich nicht mehr verkohlen.
Soll doch der Teufel die Welt holen.
In dieser Welt gibt es kein Glück.
Drum zieht der Narr sich jetzt zurück.
Doch dann kommt eine Offenbarung
Eine ganz seltsame Erfahrung:
Als ich dies ganze Weltgetriebe
frustriert und wütend von mir schiebe,
spür ich in mir so was wie „Liebe“.
Die Wirklichkeit mit allen diesen
nervtötenden, schrecklichen Krisen
mit dem Gezänk dem vielen Streiten,
mit ihren Ungerechtigkeiten,
mit ihrer Lust und Zärtlichkeit
Humor, Lachen und Heiterkeit.
Und dann wieder mit ihren Scherben,
Die Welt in der wir einmal sterben …
Sie ist der Ort an dem wir leben.
So hat sie Gott uns halt gegeben.
Bist du ein Heide, sei nicht böse.
Mir hilft manchmal das Religiöse.
Ich stell mir vor, dass Gott die Welt,
aufmerksam in den Händen hält.
Mal packt ihn Wut und auch Entsetzen,
weil alle hier die Messer wetzen.
Dann dreht er die Welt etwas weiter
und sagt ganz liebevoll und heiter:
„Wie gut, dass es die Welt noch gibt.
Seit ich sie schuf, bin ich verliebt
in dieses bunte, wirre Treiben.
Die Welt, sie soll noch etwas bleiben.“
Irgendwann wird sie untergeh´n.
Warum, das kann kein Narr versteh´n.
Pfarrer Ulrich Haberl: Narrenpredigt 2024 7
Gedanken über Bäume und Demokratie
Ich freu´ mich über Zeit und Raum
die bleiben, um ´nen Apfelbaum
zu pflanzen. Ihr versteht mich wohl?
Das meine ich hier als Symbol.
Obwohl – die Bäume zu beschützen
würde der Welt schon mal viel nützen.
Herr Schiller, das musste noch raus.
Hoffentlich läuft jetzt keine Laus
über des Bürgermeisters Leber.
Der Pfaffe ist auch kein Ratgeber
in diffizilen Einzelfragen.
Nein, der Gemeinderat soll tagen
auf Bürger und Experten hören,
auch wenn manche sich leicht empören
Alle Aspekte gut beraten
und nach dem Brauch der Demokraten
dann endlich ´ne Entscheidung fällen.
Ob sie gut war, wird sich rausstellen.
Wie sagte Churchill schon vor Zeiten:
Demokratie ist ja bei weitem
niemals perfekt. Doch es gilt schlicht:
Was Besseres, das gibt es nicht.
Happy End?
Zum Schluss werf´ ich ´noch frohe Kunde
in die erschöpfte Hörer-Runde.
Wenn gleich der letzten Reim verklingt
und ihr dann wieder kräftig singt,
dann wird dem Narr´n ganz froh ums Herz.
Dann muss er nicht mehr jeden Scherz
in diese blöden Reime pressen
und sich beim Dichten so sehr stressen.
Der Narr ist happy. Bald ist Schluss.
Doch noch „happier“ macht ihn der Kuss,
der herzhafte und richtig fette,
den eine ausgesprochen nette
Närrin dem Narr´n wieder aufschmatzt.
Ihr wisst. Die Lage schien verpatzt.
Drei Tage Streit! Dann um halb sieben
erkannten sie, dass sie sich lieben.
Die wahre Liebe ist bescheiden;
weiß, dass wir aneinander leiden,
dass wir in Krisen leicht versinken,
weil Häuser ohne Hausputz stinken,
oder aus andren Petitessen.
Die wahre Liebe unterdessen
erkennt: Kein Mensch ist ganz perfekt.
Und trotzdem – oder deshalb steckt
in ihm ein liebenswerter Kern.
Wer den findet, der hat ihn gern.
So ist es mit dem ganzen Leben.
Es wird stets neue Krisen geben.
Dass wir verzweifeln und dran leiden,
lässt sich beim Leben nicht vermeiden.
Mal ist es locker wie ein Scherz.
Dann wieder bricht es uns das Herz.
Man wird aus ihm nie wirklich schlau
Man hat es nie im Griff. Genau
deshalb hat es unendlich Wert.
Es nicht zu lieben, wär verkehrt.
Glaubt ihr das, meine Herrn und Damen?
Dann sagt jetzt laut und deutlich …
Coda
Mit dieser Botschaft werte Christen
und auch ihr werten Atheisten
natürlich auch ihr Katholiken
will ich euch heut nach Hause schicken.
Am Ende wird die Liebe siegen.
Wir lassen uns nicht unterkriegen!
Die Hoffnung stärke alle Geister
bei Bürgern und beim Bürgermeister.
Auf einige Reaktionen, die auf meine Narrenpredigt am 11. Februar bei mir aufgelaufen sind, möchte ich reagieren. Ich bin verschiedentlich so verstanden worden, dass ich mich in dieser Predigt für eine Baumschutzverordnung in Herrsching ausgesprochen hätte. Sicher hat meine flapsig-satirische Wortwahl zu diesem Eindruck beigetragen. Insofern muss ich mich an meine eigene Nase greifen. Darum ist es mir wichtig, klarzustellen:
Baumbestand sinnvoll zu schützen, ist ein wichtiges Ziel. Ich bin mir sicher, dass fast alle Herrschinger Bürgerinnnen und Bürger und auf jeden Fall alle politisch Verantwortlichen das so sehen. Auf welchem Weg dieses Ziel – in Abwägung mit anderen Zielen – am besten erreicht werden kann, dazu habe ich als Pfarrer keine besondere Expertise. Und deshalb nehme ich dazu auch nicht Stellung.
Mein Ziel in der Narrenpredigt war, daran zu erinnern, dass wir demokratische Gremien haben, die Fachleute und von Bürgermeinungen hören und dann nach sachlicher Diskussion solche Fragen entscheiden. Und immer gilt in der Politik: Ob das dann eine zielführende Entscheidung gewesen ist, das merkt man oft erst im Nachhinein.
Meine Idee war, dass Humor helfen kann, Dinge entspannter zu sehen. Das ist offenbar nicht wirklich gut gelungen. Da muss der Pfarrer noch dazulernen.
Eine wunderbare Fastenpredigt, sowohl inhaltlich, als auch rhetorisch – und genau an die Richtigen mit
augenzwinkernder Dringlichkeit adressiert.
Möge der Jesus zugeschriebene Ausspruch “ Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Hause “ auf diese Rede nicht zutreffen.
Liebe Narren von gestern morgen:
heute Morgen immerhin schon
registriert, die wir es gestern trotz
Vormerkung leider verpennten,
vielen Dank,
Rotraud & Dirk in Grafrath.