Keine Ps, viele Es: Null Polemik, keine Politik, ohne Parteien, dafür viel Erfahrung, Expertise und Empathie. Die Zuhörer erlebten im Kurparkschlösschen eine spannende Podiumsdiskussion über das heißeste Thema der Herrschinger Kommunalpolitik: Baumschutz. Die Fachleute im Panel waren sich einig: Baumschutz ist Menschenschutz in der Gluthitze der neuen Sommer.
Eine „Deutschland“-Koalition aus Schwarz-Rot-Gelb hatte – wie berichtet – einen Bürgerentscheid gegen Baumschutzverordnungen durchgesetzt, die Bürgerinitiative Pro Natur stemmte sich mit Plakaten und Flyern gegen die CSU-SPD-FDP-Front.
Dann aber platzte der Bürgerentscheid wie ein praller Ballon. War also die Luft raus aus der Podiumsdiskussion, die den Bürgern Orientierung vor der Abstimmung geben sollte? Die 4 Fachleute auf dem Podium versprachen den Herrschingern: Das Thema beginnt gerade erst richtig hochzukochen: Angenehmer wird’s nicht in den kommenden Sommern, und das beste Kühlmittel gegen überhitzte Städte und Gemeinden sind Bäume im Innenbereich.
„Wir haben genug Bäume in Herrsching“
Ein Zuhörer versuchte die Argumente der Experten mit dem Hinweis zu häckseln, Herrsching sei nicht Dachau (wo vor einem Jahr eine neue Baumschutzverordnung in Kraft getreten war): „Wir haben den See und wir haben rund um Herrsching viel Wald. Wir haben wirklich genug Bäume in der Umgebung.“
Der Baumsachverständige von Treeconsult, Andreas Detter konterte, dass für das Wohlbefinden der Menschen in den Gemeinden das Ortsklima maßgeblich sei, nicht das Umgebungsklima. Die Diplom-Ingenieurin und BUND-Vertreterin Angela Burkhardt-Keller machte es ganz anschaulich: „Der Schatten eines Baumes ist deutlich kühler als der eines Sonnenschirmes.“
„Ein Baum gibt mehr Schatten als ein Sonnenschirm“
Die Grünen-Chefin in Herrsching, Rita Mulert, stimmte mit der Bemerkung ein, an heißen Sommertagen hangele sich der Fußgänger von Baumschatten zu Baumschatten. „Schauen Sie sich in Immobilienanzeigen an, wo die teuersten Wohnlagen sind“, sagte Burkhardt-Keller, „dort, wo es viel Grün und viele Bäume gibt, wollen alle wohnen.“
Und dieses grüne Dach, das Schatten spendet, Wasser aufnimmt und verdunstet, CO2 speichert und „bis zu 70 Prozent Feinstaub filtert, gibt’s ohne baumschützende Bebauungspläne und/oder Baumschutzverordnungen nicht, weiß der Sachverständige Andreas Detter: „Das sind die Schutz-Mechanismen, die wir für den Baumschutz haben.“
Der Dachauer Jurist und Kreisrat Peter Heller berichtete aus seiner Heimatstadt, dass die neue Baumschutzverordnung – anders als in Herrsching – kein großes Politikum war: „Es gab keine Proteste und keine Leserbriefe.“ Dass Bäume heute eine ganz andere Wertschätzung erfahren als früher, betonte nicht nur er. Welch absurde Einstellungen früher den Bäumen den Garaus machten, machte er am Beispiel eines Wald-Friedhofs deutlich. „Da fielen Blätter auf die Gräber, deshalb mussten die Bäume weg – wohlgemerkt auf einem Waldfriedhof.“
Immer mehr Gemeinden denken um
Dass Bäume für die Städte und Gemeinden nicht nur Kostgänger und Im-Weg-Steher sind, hätten inzwischen viele Kommunen gemerkt. „Da hat ein Umdenken stattgefunden“, stellte Detter fest. Immer mehr Städte und Gemeinden greifen zu Paragrafen, um ihr grünes Kapital zu schützen: Gröbenzell, Dachau, jetzt sogar dank einer CSU-Initiative die Kreisstadt Starnberg – „auch wenn konservative Kreise Baumschutzverordnungen oft noch ideologisch aufladen“, wie Burkhardt-Keller vermutet.
Dass Justitia ein Schwert führt, das sie mitunter anachronistisch einsetzt, weiß Treeconsult-Mann Detter aus vielen Baumschutz-Streitigkeiten vor Gericht. „Wenn ein Ast mal über die Grundstücksgrenze wächst, dann sagt das Bürgerliche Gesetzbuch seit 1899, dass der abgesägt werden darf, ganz gleichgültig, ob das der Baum dann überlebt oder nicht.“ Solche Naturverstümmelungen könne eine Baumschutzverordnung verhindern. „Eine Verordnung“, ergänzt die BUND-Expertin Burkhardt-Keller, „ist deshalb ein erster Punkt, wo etwas einrastet, wo der Bürger zum Nachdenken gezwungen wird.“ Die Konsequenz: Der Baumbesitzer bekommt in der Gemeinde eine sachverständige und kostenlose Beratung und oft auch Hinweise, wie er ein Haus oder eine Auffahrt so situieren kann, dass Bäume geschont werden.
„Eine Verordnung sollte kurz und knackig sein“
Außerdem biete eine intelligent gestaltete Baumschutzverordnung Unterstützung bei der Baumpflege – schließlich nehme die Gemeinde Gebühren ein, die sie für bedürftige Baumbesitzer wieder ausgeben könne. Burkhardt-Keller plädierte wie ihr Kollege Detter dafür, dass Verordnungen im Konsens verfasst werden sollten. „Deshalb lieber eine schlanke Verordnung, die kurz und knackig ist. Und lieber eine Verordnung, die nur dickere Bäume schützt als gar keine schützende Verordnung.“
Die Pro-Natur-Aktivistin Christine Hollacher regte deshalb Workshops an, in denen Experten mit Bürgern und Politikern eine Satzung erarbeiten.

Schließlch meldete der Gemeinderat Christoph Welsch (Grünen-Fraktion) und goss noch etwas Wasser in den Wein: Bäumen und Grünflächen drohe nicht nur von Bauherren Gefahr, sondern von der Bauordnung. Wegen der geschrumpfen Gebäude-Abstandsmaße, die inzwischen auch in bestimmten Herrschinger Gebieten gelten, hätten Grünflächen und Bäume keinen Platz mehr. Deshalb plädierte er für eine Grünordnung, in der pro Quadratmeter Wohnfläche in einem festen Verhältnis Grünflächen und Bäume geschaffen werden müssten.
Ich habe mir mal das von Frau Kalz erstellte Baumkataster der Gemeinde Herrsching durchgesehen. Darin wird ein vor wenigen Jahren gepflanzte Wildapfelbaum am Parkplatz vor der Feuerwehr in Breitbrunn verzeichnet. Er ist noch sehr jung und wurde im Sommer leider auch schon extrem unfachmaennisch zugeschnitten. Andererseits aber ist unsere sehr alte private Eiche (Stammumfang 325cm) nirgendwo erfasst. Sie steht nur wenige Meter entfernt. Kann ein derart alter und gesunder Baum nur als Privatbesitz gemanagt werden? Diese Eiche ist doch aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung auch ein Besitz von uns allen. Wir brauchen ein gemeinsames Regelwerk, das für die Gemeinde und die Privatgaerten gilt. Wir haben doch jetzt die Chance ein ganz spezielles Procedere nur für uns zu entwickeln.
Herr Welsch hat einen interessanten Aspekt in die Diskussion eingebracht. Bäume können auch durch entsprechende Bebauungspläne geschützt werden. Dies bedingt jedoch, dass diese Bebauungspläne vorhanden sind bzw. aufgestellt werden. Entscheidend ist jedoch die inhaltliche Gestaltung. Hier lohnt ein Vergleich der Bebauungspläne der Gemeinde Herrsching und der Bebauungspläne der Gemeinden Gräfelfing, Gröbenzell und Neufahrn bei Freising. Hier sind gravierende Unterschiede unter dem Punkt „Grünordnung“ zu sehen.
Herrsching hat vor allem zu wenig Bebauungspläne, und die bestehenden sind heiß umkämpft.
Ersteres beruht auf Fehlern in der Vergangenheit, die sich leider kaum revidieren lassen.
Ich war sehr angenehm überrascht über die rege Beteiligung bei unserem „Schloss Gespräch „! Besonders erfreulich war auch die Beteiligung einiger Gemeinderäte und sogar der ( notgedrungen späte) Besuch des Bürgermeisters.
Für Herrn Welsch als Architekt steht die Grünplanung im Vordergrund , die sicher auch sehr wichtig ist, aber nicht gegen eine Baumschutzverordnung ausgespielt werden sollte. Zum Schutz der alten Bäume brauchen wir eine Baumschutzverordnung. Wir brauchen sie auch um das Miteinander der Nachbarn zu regeln im Sinne der Bäume. Es ist wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich beraten lassen.
Dass es selbst Bauträger gibt, die alte große Bäume auf den Baugrundstücken stehen lassen, weil es den Wert des Baugrundes erhöht, gibt Anlass zur Hoffnung. In Herrsching haben wir es leider bisher anders erlebt.
Dank der Tatsache, daß das Ratsbegehren rechtswidrig war, haben wir die Möglichkeit, eine für unsere Gemeinde passende Baumschutzverordnung zu erarbeiten. Wir wissen jetzt auch, wo wir uns fachkundige Hilfe und Unterstützung holen können. Ein großer Dank an die Podiumsteilnehmer*innen!