Früher gehörte der Baumschutz zur Bewahrung der heimatlichen Schönheit, sagt die Forstwirtin Angela Burkhardt-Keller. Deshalb haben sich auch konservative Parteien dem Baumschutz verschrieben. Heute wird Baumschutz eher als Klima- und Artenschutz verstanden. Mit diesem Wandel erklärt sich die BUND-Mitarbeiterin den politischen Streit um Baumschutzverordnungen. Dabei gehören Bäume zur Grundausaustattung „bevorzugter Wohngegenden“. In einem Viertel ohne Grün will besonders der gut situierte Bürger nicht wohnen. herrsching.online hat mit der Expertin für Stadtentwicklung im Rahmen unserer Serie „Fakten zum Bürgerentscheid Baumschutz“ gesprochen.

herrsching.online: In Herrsching stimmen die Bürgerinnen und Bürger am 10. Dezember darüber ab, ob die Gemeinde eine Baumschutzverordnung erlassen darf. Nimmt die Zahl der Gemeinden in Bayern zu, die eine Satzung zum Schutz der Bäume haben?
Burkhardt-Keller: Es gibt keine offizielle Erhebung zur Anzahl und Ausgestaltung von Baumschutzverordnungen in Bayern. Der BUND Naturschutz hatte 2018 eine Befragung aller Kommunen und Unterer Naturschutzbehörden in Bayern durchgeführt, und diese Recherche ergab, dass in 94 Kommunen eine Verordnung gilt . Neu dazugekommen sind seit 2018 meines Wissens eine Baumschutzverordnung in Markt Schwaben und Dachau (Anmerkung der Red: seit September auch Starnberg). Wie viele Baumschutzverordnungen in dieser Zeit auch wieder abgeschafft wurden, ist ebenfalls nicht dokumentiert.
herrsching.online: Starnberg, grüner Fundi-Politik unverdächtig, hat nun, wie erwähnt, auch eine Baumschutzsatzung. Haben sich auch konservative Parteien des Baumschutzes angenommen? Oder braucht Baumschutz immer noch eine grün-orientierte Mehrheit in den Gemeinde- und Stadträten?
Ältere Verordnungen sind oft von konservativen Städten beschlossen worden
Burkhardt-Keller: Baumschutz ist nicht unbedingt eine Frage der Parteienlandschaft. Besonders ältere Verordnungen sind oft von konservativ dominierten Stadt- oder Gemeinderäten beschlossen worden. Allerdings ist in der jüngsten Vergangenheit der Trend zu beobachten, dass die „BSVO“ ein klassisch grünes Thema wird. Ich vermute, dass früher das Ortsbild und die Bewahrung der Schönheit der Heimat wohl eine große Rolle gespielt haben. Inzwischen wird die BSVO eher mit Klima- und Artenschutz verknüpft.
herrsching.online: Mein Haus, mein Garten, meine Freiheit – die Grundüberzeugungen des ganz „normalen“ Bürgers, behaupten die Freien Wähler. Wie erklärt man den Wählerinnen und Wählern, dass Baumschutz auch Eigenschutz ist?
Burkhardt-Keller: Verordnungen regeln oft das Zusammenleben der Bürger*innen einer Kommune. Auch andere gesetzliche Regelungen beschränken uns in unserer persönlichen Freiheit wie beispielsweise bei der Bebauung von Grundstücken. Bei Bäumen steht die Wohlfahrtswirkung von Bäumen für das Gemeinwohl der Bürger*innen einer Kommune leider in einem Missverhältnis zu dem Aufwand, den Baumeigentümer*innen mit der Pflege, der Kontrolle und zum Beispiel der Laubbeseitigung haben.
Bevorzugte Wohnlagen haben Bäume
Bäume sind aber nicht nur optisch eine Bereicherung für eine Kommune, sondern auch klimatisch: Bäume beschatten und kühlen unsere Siedlungsräume, ihre Standorte stellen wichtige Versickerungsflächen dar. Die Artenvielfalt wird gefördert. Und Untersuchungen haben gezeigt, dass die bevorzugten Wohnlagen die mit Bäumen sind.
herrsching.online: Baumschutzverordnungen versagen regelmäßig, wenn ihnen das Baurecht in die Quere kommt. So geschehen jüngst in Herrsching: Da wurden vier 100 Jahre alte Bäume gefällt, damit ein Kran aufs Baugelände passt. Sind solche Satzungen nicht kraftlose Instrumente, wenn Bau immer vor Baum geht?
Burkhardt-Keller: Ja, das Baurecht schränkt die Baumschutzverordnungen ein. Sind Fällungen zur Verwirklichung eines Bauvorhabens notwendig, muss die Fällgenehmigung erteilt werden. Was dabei aber vergessen wird: Die Forderung von anschließenden Ersatzpflanzungen oder Ausgleichszahlungen ist durch die Baumschutzverordnung möglich. Das gäbe es sonst nicht.
herrsching.online: Man kann, so der Volksmund, einen Hund nicht zum Jagen tragen. Auf den Baumschutz gemünzt: Was nützt eine Satzung, wenn die Gemeinderverwaltung nicht gewillt ist, die Einhaltung gewissenhaft zu überwachen?
Wenn die Umsetzung der Verordnung nicht gewährleistet ist, wird es schwierig
Burkhardt-Keller: In Fachkreisen heißt es zu BSVOs: „Jede BSVO ist nur so gut wie die Verwaltung, die sie mit Leben füllt.“ Daher ist es zwar gut, dass der Wille der Bevölkerung da ist, aber wenn die Umsetzung der Verordnung nicht gewährleistet ist, wird es schwierig, den Schutz der Bäume zu gewährleisten.
herrsching.online: Herrschings Bürgermeister argumentiert mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand, der auch Geld koste. Herrsching hatte für 50 000 Euro einen Grünplaner bestellt und für weitere 50 000 Euro eine neue Halbtagskraft im Umweltreferat geschaffen. Wieviel Geld kostet in einer Gemeinde mit 10 000 bis 15 000 Einwohner die Überwachung einer Baumschutzsatzung?
Der Verwaltungsaufwand hält sich in Grenzen
Burkhardt-Keller: Nach den Untersuchungen des BUND Naturschutz gehen 3 Anträge pro Jahr und 1000 Einwohner ein. Da sollte sich der Verwaltungsaufwand in Grenzen halten.
herrsching.online: Seit unserem letzten Interview ist viel passiert: Ganze Landstriche sind abgebrannt oder abgesoffen im Hochwasser, Wissenschaftler sagen uns: Es bleiben nur noch wenige Jahre. Und trotzdem strafen die Wähler die Parteien ab, die aktive Klimapolitik betreiben. Grund zur Resignation?
Burkhardt-Keller: Das Wahlergebnis in Bayern hat mich schockiert. Dennoch bin ich der Meinung, dass Veränderung immer wieder möglich ist.
Liebe Leser des Interviews mit Frau Burghardt – Keller.. Gerne mache ich als Mitglied und Beisitzerin des Breitbrunner Gartenbauvereines noch einige Infos zur Ergänzung. Unser Breitbrunner Gartenbauverein ist laut Satzung seit 100 Jahren nicht nur ein Verein für Gartenbau, sondern auch für Landschaftspflege. Wir bemühen uns deshalb seit Jahrzehnten um das Ortsbild und die Verschönerung der privaten und öffentlichen Grundstücke in Breitbrunn. Seit etwa fünf Jahren sind allerdings durch die neue, nachverdichtende Bebauung viele Gartengruendstuecke versiegelt bzw. bebaut worden. Es fällt uns deshalb immer schwerer eine positive Gruengestaltung im Ortsverein auszuzeichnen. Den jährlichen Blumenschmuuckwettbewerb haben wir bereits abgeschafft und nur noch wenige Naturgaerten konnten zertifiziert werden. Ebenfalls rasant gehen uns auch gesunde und ortsbildprägende Bäume verloren. Die drei Bäume, die dem Neubau des Fertighäuser weichen mussten, standen nicht dem Haus, sondern dem Kran im Wege, der zur Einrichtung der Baustelle notwendig war und nur vorübergehend einige Wochen steht. Wenn dieser Kran wieder abtransportiert wird, können an seiner Stelle neue kleine Bäume gepflanzt werden. Ich bin gespannt.
Unser Bürgermeister Christian Schiller hat eine neue Baumschutzverordnung seit
mehr als 5 Jahren vehement verhindert, weil der Verwaltungsaufwand eine zusätzliche Halbtagsstelle notwendig machen würde, wie er immer wieder betonte. Das sei zu teuer! Aber die hat er ja nun vorsorglich bereits selbst geschaffen?
Das Ministerium von Dr. Markus Söder hat mir auf meine Frage an ihn, warum der Baumschutz nicht mit dem Baurecht getauscht wird, und es „Baumschutz vor Baurecht“ heisst geantwortet, dass das bestehende Gesetz bereits genug Spielraum für erfolgreichen Baumschutz bieten würde. Vor allem, wenn es Bebauungspläne gibt.
So lange jedoch Maßlosigkeit und Profitgier die Köpfe von uns Menschen in immer ausufernderem Maße zu füllen scheinen, wird sich wohl die Erde allein mit ihren Fähigkeiten von unerträglicher Hitze, gefährlichen Stürmen, Überschwemmungen, Erdrutschen oder Trockenheit um nur Einige zu nennen, um ihr Überleben und das ihrer Artenvielfalt kümmern müssen?
Oder lassen die vielen neuen Initiativen in Herrsching, die sich für Baum-, Klima,- Natur- und Artenschutz und ein grünes Herrschinger Ortsbild stark machen, unsere Hoffnungen vielleicht doch weiter leben, dass auch im Rathaus in diese Richtung mehr geschieht ?