• Grüne wollen Wohnungen auf Gewerbebauten erlauben
• CSU-Abgeordnete: Handwerkspräsident arbeitet an Lösungen
• Bürgermeister: Wohnungen im Gewerbegebiet sind nicht erlaubt

Ein schönes Beispiel deutscher Verhinderungsbürokratie erlebten die Zuhörer in der letzten Gemeinderatssitzung. Die Grünen hatten den Auftrag zur Schaffung von Wohnraum zu wörtlich genommen – und wollten im Gewerbegebiet zusätzlichen Wohnraum schaffen. Sie beantragten, dass an der Gewerbestraße 1 bis 2 Stockwerke auf bestehende Gebäude draufgesattelt werden dürfen. Vorbild war eine Werkstatt in Breitbrunn, über der mehrere Wohnungen gebaut wurden. Der Bürgermeister verwies schon vor der Abstimmung darauf, dass der Antrag schlicht unzulässig sei: In einem Gewerbegebiet dürfen keine Wohnungen gebaut werden – es sei denn, sie werden von „Aufsichts- und Bereitschaftspersonen“ bewohnt. Der Bürgermeister wies außerdem auf die fiskalische Bedeutung eines Gewerbegebietes, das es zu schützen gelte.
Die Grünen-Rätin Traudi Köhl regte als Kompromissformel an, ob man Teile des Gewerbegebietes in Mischgebiete umwandeln könne. „Viele Besitzer wären froh, wenn sie Wohnungen auf gewerblich genutzten Gebäuden bauen dürften“, sagte sie.
Das Thema beschäftigt nicht nur die Grünen, sondern auch die CSU. Gemeinderätin Hannelore Doch fragte bei einer Wahlveranstaltung die CSU-Abgeordnete Dr. Eiling-Hütig, wie man bezahlbaren Wohnraum schaffen könne. Eiling-Hütig kam in diesem Zusammenhang auf Werkswohnungen in Wohn-Gewerbe-Mischgebieten zu sprechen. Daran arbeite auch der Handwerkskammerpräsident, erzählte sie. Viele rechtliche Probleme ver- und behinderten den Bau von Mitarbeiterwohnungen: Billiger Werks-Wohnraum müsse als „geldwerter Vorteil“ versteuert werden. Zudem sei die Koppelung von Arbeitsvertrag und Mietvertrag rechtlich problematisch.
Tatsächlich haben sich schon viele Verwaltungsgerichte mit Wohnungen in Gewerbegebieten befasst. So hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, dass eine Wohnung nur „bei einer funktionalen Zuordnung zum Gewerbetrieb“ erlaubt sei. Sprich: Ein Hausmeister oder Sicherheitspersonal dürfte überhalb des Arbeitsplatzes wohnen.
Im Zeichen des Arbeitskräftemangels sind Betriebswohnungen das beste Argument, um Personal zu akquirieren. Deshalb beschäftigt sich wohl auch der Handwerkskammerpräsident mit dem Thema. Durch die Presse ging der Fall eines Busfahrers, den die Verkehrsbetriebe in Augsburg mit einer Werkswohnung aus dem Osten anlocken konnten. Man lernt aus solchen Fällen, dass Wohnungen in einem Gewerbegebiet den örtlichen Unternehmen eher nützen als schaden.
Da der Buergermeister den Antrag als nicht zulässig ablehnte, war eine konstruktive Diskussion zu Wohnungen im Gewerbegebiet nicht mehr möglich. So bleibt das Thema weiter bei Wahlkampfveranstaltungen verortet und die Wohnungsnot verschärft sich. Auch werden die Mieten steigen, weil weniger gebaut wird. Die Kompromissidee der Gemeinderätin Koehl haette vom Bgm. schon aufgegriffen werden können, damit Lösungsvorschläge nicht immer gleich „im Keim erstickt werden“.