• Tischlein leck dich: Patricia Wolf hat auf einer ausgemusterten Plastiktischdecke Sushi-Behälter drapiert
  • Eine ausgesprochene Spinnenphobie hat Ursula Steglich-Schaupp nicht, aber fliehend am Baum sind sie ihr offenkundig doch lieber
  • Unerreichbar hochgehängt hat Johannes Hofbauer sein Mieder aus Kronkorken
  • Edit Steiner hat mit Künstlerkolleginnen alte Gemälde übermalt. Sie hängen nun am Bootshaus an der Promenade. Nach der Ausstellung werden sie verkauft
  • Gut getarnt hängen die Libellen von Marianne Schweigler im Baum
  • Daisy Fischer widmete ihre Arbeit der weiblichen Leidenschaft Schuhe: Ausgediente Schuhe aller Gattungen hängen im Kreis, schrill bunt bemalt
  • Kunst und Lebenskunst zelebrierte der KKA im Kurpark
  • Wie ein Indianer-Totempfahl steht die Skulptur von Ela Bauer im Park

Kunst aus dem Gelben Sack

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„Das zufällige Publikum ist das härteste der Welt”, warnte Eva Zenetti ihre Kolleginnen und Kollegen vom Künstlerkreis Ammersee. Die Zufälligen: Spaziergänger im Schlosspark, die sich plötzlich mitten in einer Vernissage befanden. 14 Kreative stellten sich in einer öffentlichen Ausstellung dem Thema Recycling, das der Künstlerkreis optimistisch in „Recircling” umwandelte. Die Künstlerinnen und Künstler plünderten dafür ihre Gelben Säcke und schufen verblüffende, humorvolle, rätselhafte und enttarnende Skulpturen, Figuren, Kompositionen aus Wegwerfartikeln. Ulrike Gerd Hartmann erinnerte in ihrer Rede daran, dass „wir sagenhaft viel Müll produzieren” – unter 30 Prozent der Kunstoffabfälle werden recycelt (die Zahlen schwanken je nach Quelle). Aber plötzlich hatten Kronkorken, Yoghurtbecher, Netze, Sushi-Behälter, Hemden oder auch missratene Kunstwerke ein zweite Leben. Es soll sonnenselige Flaneure im Kurpark aus der sorglosen Urlaubsstimmung holen und mit ihrem Konsumverhalten konfrontieren. Wie lange die Second-Life-Kunstwerke freilich dem Wetter, dem Vandalismus oder der Kleptomanie der Kurlauber oder Partypartisanen standhalten, das weiß noch niemand.

Die Ausstellung steht im Kontext der Intermezzo-Biennale, die alle 2 Jahre unter einem Thema den Künstlerkreis Ammersee in die Öffentlichkeit bringt.

Der Künstler Johannes Hofbauer, der in der letzten großen Ausstellung im Schlösschen mit faszinierenden Holzskulpturen Aufsehen erregt hatte, hängte seinen Beitrag zum Recircling sicherheitshalber ganz hoch in einen Baum: Sein metallisches Mieder besteht aus Kronkorken, die einen weiblichen Oberkörper abbilden. Die Breitbrunner Künstlerin Ursula Steglich-Schaupp, Trägerin des Kulturpreises des Landkreises Starnberg, lässt eine Spinne aus Abfallstoffen den Baum hochkraxeln. Marianne Schweigler, ebenfalls Breitbrunn, hat einen Baum mit raffinierten, knopfaugigen Libellen bevölkert, Patricia Wolf drapierte auf einer Plastiktischdecke Sushibehälter, hängte einen im Gegenlicht schillernden Wandteppich gleich am Eingang des Kurparks auf und wies alle Kleptomanen in einem umgestalteten Tischtuch darauf hin, dass alle Werke mit „viel Liebe” gemacht seien. Also: Finger weg. Gar nicht erst erreichbar sind die schrill bemalten Hemden, die über dem Weg hängen wie Gekreuzigte. Der Kreis schließt sich mit alten, in grellem Rot bemalten Schuhen an einem Reif, und bei der richtigen Perspektive erscheint zwischen den Latschen, Sneakers und Stöckelschuhen die 70 Kilometer entfernte Zugspitze – ein Werk von Daisy Fischer. Zwischen den Stämmen eines Zwillingsbaums hängen durchlöcherte Rundlinge aus Alu-ähnlichem Material, das raffiniert mit dem Gegenlicht spielt. Ein schriller, technisch sehr anspruchsvoller Totempfahl von Ela Bauer empfängt den Besucher auf dem Weg von der Madeleine-Ruoff-Straße zum Schlösschen. Die Künstlerin hat einen halben Wertstoffhof zu einer Figur geformt, die das Thema der Ausstellung zusammenfasst.

Wie die Biennale in Venedig hat auch das Intermezzo Recircling eine Exklave: Am Bootshaus an der Promenade hat die Zweite Vorsitzende des Künstlerkreises, Edit Steiner, mit Kolleginnen und Kollegen recycelte Gemälde präsentiert: Alten Originalen haben andere Künstler neue Farben und Formen gegeben. Diese Bilder mit mehreren Schöpfern werden am Schluss der Veranstaltung verkauft, der Erlös kommt dem Künstlerkreis zugute.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 27. August.

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