Gemeinderat hebt Steuer für Gelegenheitsbürger drastisch an und hofft, dass Wohnungsbesitzer nach Herrsching umsiedeln///
Zweitwohnsitze sind in vielen Gemeinden ungeliebte Immobilien. Die Besitzer nutzen die Gemeindeeinrichtungen, hinterlassen aber keine Einkommenssteuern und treiben oft auch die Mieten hoch – sie sind so etwas wie der ungeliebte Verwandtschaftsbesuch. Vor 50 Jahren hat die Stadt Überlingen am Bodensee erstmals eine Steuer für die Wochenend- und Ferien-Bürger verlangt. Inzwischen verlangen die meisten Städte und Gemeinden eine Abgabe für Zweitwohnsitze. Schließlich gehen die Teilzeit-Einwohner ja auch ins Freibad, sind für die Straßenbeleuchtung dankbar und gucken bei Anfällen von Langeweile in der Gemeindebibliothek vorbei. In Herrsching war diese Steuer für Zweitwohnsitze eher symbolischer Natur: Die Gemeinde verlangte 8 Prozent von einer ortsüblichen Miete, die für die Wohnung bezahlt werden müsste, wenn man sie anmieten würde. Gemeinderat und Kämmerin Miryam Goodwin waren nun der Meinung, dass Herrsching zu wenig kassiert und Geld liegen lässt. Eine Umfrage der Verwaltung in anderen Gemeinden des Landkreises ergab folgende Steuersätze:
Starnberg, Berg und Feldafing verlangen von ihren „Servus-auch-mal-wieder-da“-Bürgern 20 Prozent Steuersatz, Wörthsee nimmt 15, Tutzing 12 und Inning 11 Prozent. In Bayern, so ergab die Umfrage weiter, sind 20 Prozent Zweitwohnungs-Steuersatz die Regel: Von Garmisch bis Lindau kassiert die Stadtkasse ein Fünftel vom Mietwert. Nur München macht’s mit 18 Prozent gnädiger, Utting braucht wohl nicht soviel Geld und greift nur 9 Prozent ab.
In Herrsching bezahlen 270 Personen eine Zweitwohnsitzsteuer. Von diesen Schönwetter-Bürgern wohnen 112 in München. Deshalb spekuliert die smarte Kämmerin, dass vielleicht einige Zweitwohnsitz-Besitzer ihren Hauptwohnsitz nach Herrsching verlegen, wenn die Steuer hier auf 20 Prozent angehoben würde. Die erfreuliche Folge: Herrsching würde von der Einkommenssteuer dieser Neubürger profitieren, und die hätten – theoretisch – 2 Prozent Zweitwohnsitzsteuer gespart. Dazu könnten sie noch die S-Bahn-Fahrkarte von der Steuer absetzen.
Ein zweiter positiver Effekt einer Herrschinger Steuererhöhung: Die Zweitwohnungsbesitzer kommen zu dem Schluss, dass sie ihre nur in Teilzeit selbstgenutzte Wohnung in Herrsching ja auch vermieten könnten. Das brächte der Gemeinde zwar keine Einkommenssteuer vom Wohnungsbesitzer, aber eventuell von den neuen Mietern, die von außerhalb zuziehen würden.
Zusammen mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 30. 4. 2009) war auch der Herrschinger Gemeinderat der Ansicht, dass „20 Prozent des jährlichen Mietaufwandes keine erdrosselnde Wirkung haben“ und stimmte der Steuererhöhung zu – einstimmig. Einstimmig? Falsch, FDP-Rat Keim stimmte dagegen. Es war eine eher ostentative Neinstimme.




Zum einen würden die Münchner, die ihren Hauptwohnsitz nach Herrsching verlegen, wie in Ihrem Beispiel nicht 2 Prozent der Zweitwohnsitzsteuer, sondern 2 Prozentpunkte Zweitwohnsitzsteuer sparen. Zum Anderen geht die Rechnung nur auf, wenn die ortsübliche Miete beider Objekte gleich ist. In Hinblick auf unterschiedliche Wohnungsgrössen und Kaltmieten ist dies eher fraglich.