Die Krise am Bau ist für die öffentlichen Haushalte ein Segen: Das Kinderhaus am Fendlbach wird deutlich billiger als veranschlagt

Herrschings neues Architektur-Juwel

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Das neue Kinderhaus am Fendlbach zeigt sich in diesen Tagen erstmals ohne Bauverkleidung: Der Entwurf des Gilchinger Architekten Achim Füllemann setzt ganz auf den Werkstoff Holz. Schon die Fassade gibt Auskunft darüber, dass Gemeinderverwaltung, Gemeinderat, Architekt und Eltern des Kindergartens Kunterbunt konsequent auf dem Holzweg sind: Schöner kann man Kinder nicht willkommen heißen. Der Architekt hatte in der entscheidenden Gemeinderatssitzung erwähnt, dass eine Stahl-Beton-Bauweise 572 282 kgCO2/Äquivalent mehr in die Atmosphäre geblasen hätte. Und noch populärer formuliert für alle Betonfreunde: Man bräuchte für diesen CO2-Ausstoß 31 793 Fichten, um eine solche Menge in den Bäumen zu speichern. Das neue Kinderhaus soll 144 Kita- und Kindergartenkinder Geborgenheit bieten.

herrsching.online hatte mit Architekt Achim Füllemann vor der Grundsteinlegung ein Interview über die Vorteile der Holzbauweise geführt:

Architekt Achim Füllemann. Foto: Gerd Kloos

herrsching.online: Warum ein Holzhaus – passt das gut zu Kindern, oder waren ökologische Gründe für Ihren Entwurf entscheidend?

Füllemann: Beides. Beim Bauen für Kinder geht’s primär darum, dass sich die Kinder wohlfühlen. Und gerade bei Krippenkindern geht es auch um Geborgenheit. Gleichzeitig ist ein Kinderhaus auch ein öffentliches Gebäude,  deshalb muss es auch robust sein. Und eine Massivholzbauweise kann das leisten.

herrsching.online: Das Leben in einem Holzhaus fühlt sich anders an als in einem Steinhaus?

Füllemann: Ja, es fühlt sich anders an. Sowohl gefühlt als auch messbar.  Das hängt mit dem Wärmeübertrag-Widerstand zusammen. Stahl und Beton leiten besser und fühlen sich deshalb kälter an. Holz fühlt sich wärmer an, weil es auch relativ gut dämmt. Das hängt mit der physikalischen Eigenschaft zusammen, aber Holz ist auch ein Stück Natur. Deshalb glaube ich, dass da auch physikalisch nicht messbare Aspekte mit einfließen. Deshalb fühlen sich die Bewohner in Holzhäusern, insbesondere in Häusern, deren Holzoberflächen holzbelassen bleiben, häufig wohler, behaglicher, als in einem Betonhaus.

herrsching.online: Bietet Beton mehr architektonische Gestaltungsmöglichkeiten als Holz?

Füllemann: Bei einem Kinderhaus geht es nicht um absolute Reduktion wie zum Beispiel bei einem Museum, wo die ganze Konzentration auf die Kunst gelenkt werden muss. Bei einer Kita geht’s ums Wohlfühlen. Das ist ein wichtiger Aspekt. Aber, um auf Ihre Frage zu kommen: Die Gestaltungsmöglichkeiten sind bei allen Baustoffen vorhanden, sie sind halt nur anders.  Aber die Gestaltungsmöglichkeiten waren bei unserem Haus in Herrsching nicht entscheidend. Die Frage war: Was passt zu den Kindern? Und dann ging es auch um die ökologischen Aspekte.

herrsching.online: Bauen mit Holz ist umweltfreundlicher…

Füllemann… seit es unser Büro gibt, war die Ökologie ein zentraler Aspekt. Deshalb kommt man um den Baustoff Holz nicht herum. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und Beton weit überlegen. Ziegel werden mit Gas gebrannt und sind deshalb auch problematisch.  

herrsching.online: Dämmt Holz die Wärme besser als Ziegel oder Beton?

Füllemann:  Ich kann auch ein Betonhaus mit Holzweichfaser dämmen oder mit Styrpor oder Mineralwolle. Wir dämmen Holzwände mit Holzweichfaser, das heißt, die Außenwände bestehen vollständig aus Holz. Die Außenwände haben zusätzlich eine Lattung aus Holz, dann kommt die Fassadenschalung. Die Innenwände sind aus sichtbarem Massivholz.

herrsching.online: Beton gibt’s also nicht am Kinderhaus?

Füllemann: Doch,  die Fundamentplatte besteht aus Beton. Die Holzkonstruktion beginnt im Regelfall erst überhalb des Erdreichs.

herrsching.online: Hält Holz genauso lange wie Beton? Eigentlich eine komische Frage, wenn man 200 Jahre alte Bauernhäuser betrachtet.

Füllemann: Bei richtiger Wartung hält Holz mindestens solange wie ein Ziegel- oder Betonbau. Wenn Ziegel oder Beton nicht korrekt verbaut werden, gibt da auch Schäden. Wartung ist bei allen Materialien erforderlich. Heute müssen viele 50 Jahre alte Betonbrücken saniert werden. Holz hält generell mindestens so lange wie Beton oder Ziegel, wenn nicht sogar noch länger.

herrsching.online: Wie glücklich waren Sie, als sich der Gemeinderat gegen eine Tiefgarage aus Beton entschieden hat, die Ihre ganz Holzhausplanung obsolet gemacht hätte?

Füllemann: Ich hatte sogar gehofft, dass noch deutlicher gegen die Tiefgarage gestimmt wird. Glücklich? Das Wort verwende ich gerne in anderen Zusammenhängen, aber ich war zufrieden, dass die Tiefgarage verworfen wurde. Uns geht’s um Ökologie. Und unter diesem Aspekt kann man die Tiefgarage einfach nicht bauen.

herrsching.online: Wieviele Kinderhäuser in Holzbauweise haben Sie schon geplant?

Füllemann: Acht Kindergärten und Kitas haben wir schon mit Holz gebaut.

herrsching.online: Und wie sind die Erfahrungen der Betreuerinnen und Kinder?

Füllemann: Den Kinderhort in Gilching haben wir 2011 fertiggestellt. Dieser Hort weist eine ähnliche Bauweise wie das neue Haus in Herrsching aus. Wir haben eine sehr positive Resonanz bekommen wegen der Sichtholzwände und der positiven Alterung des Gebäudes. 

herrsching.online: Kinder bemalen ja alles, was unter ihre Stifte kommt. Wie sehen denn jetzt die Wände aus?

Füllemann: Die Hortleitung meinte dazu: Warum soll ein Kind auf eine Holzwand malen, es malt auch nicht auf einen Baum. Die Kinder streichen vielmehr mit der Hand über das Holz, greifen und begreifen im wahrsten Sinn des Wortes das Gebäude. Uns ist wichtig, dass man nicht noch mal alles überstreicht, und noch eine Schicht draufpackt. Wenn alles sichtbar ist, verstehen die Kinder die Konstruktion. Sie verstehen auch, dass die Wand die Decke trägt.

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