Bei Lichte besehen: Der Fraktionsvorsitzende Hans-Herrmann Weinen (links) und der SPD-Ortsvereins-Vorsitzender Werner Odemer im Gespräch mit herrsching.online

„Herrsching bleibt attraktiv für junge Leute“

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Klein, aber fein: Die Herrschinger SPD stellt nur 3 Gemeinderäte, ist aber trotzdem kein bisschen leise im Gemeindeparlament. herrsching.online hat den Fraktionssprecher Hans-Hermann Weinen und den SPD-Chef in Herrsching, Werner Odemer um die Halbzeitbilanz gebeten. Die Themen:

• Tempo-30-Zonen für die Staatsstraße in Herrsching und Breitbrunn

• Neues Verkehrskonzept Riesenfortschritt für Herrsching

• Keine Hoffnung mehr für soziales Bauen auf dem Bofrost-Gelände?

• Bahnunterführung würde Verkehrsfluss fördern

Regeln für Fahrradstraßen besser kommunizieren

• Bevölkerungswachstum macht keine Probleme

• Verdoppelung der Parkgebühren würde Touristenströme lenken

herrsching.online: Es gibt in Herrsching eine Art außerparlamentarische Opposition. Müssen sich die etablierten Parteien jetzt fürchten?

Weinen: Es ist das gute Recht, dass sich Bürger zusammentun, um ihre Anliegen durchzusetzen. Davon lebt die politische Kultur einer Kommune. So eine Art Bürgerräte war nie schlecht für eine Gemeinde. Aber man muss auch die Entscheidungen der gewählten Repräsentanten der Bürger respektieren, die Verantwortung übernehmen.

herrsching.online: Umwelt und Natur sind angesichts der bedrohlichen Klimalage Premiumthemen geworden. Haben das die Gemeindeverwaltung und der Gemeinderat verstanden?

Weinen: Die Anträge der SPD-Fraktion, einen Energiemanager zu installieren, der Vorschläge für alternative Energiequellen macht, oder einen Radlweg in Breitbrunn zu bauen, gehen in diese Richtung. Leider war der Antrag, die ganze Staatsstraße durch Herrsching und Breitbrunn als Tempo-30-Zone auszuweisen, kein Erfolg. In der Bürgerversammlung in Breitbrunn wurde aber kritisch angemerkt, dass eine Tempo-30-Zone in Inning möglich ist, in Herrsching aber nicht.

herrsching.online: Versteht man Sie richtig, wenn man daraus schließt, dass Mobilität Ihr Thema ist? Naturschutz steht in Ihrer Agenda nicht ganz oben?

Der SPD-Fraktionssprecher Hans-Hermann Weinen

Weinen: Die Frage der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit kann man nur zusammen denken. Es ist ein ursozialdemokratisches Thema, die soziale Gerechtigkeit in Einklang mit den Menschen zu bringen. Von daher ist das kein Widerspruch.

herrsching.online: Ein SPD-Thema müsste auch der soziale Wohnungsbau sein. Müsste die SPD nicht das Thema Bofrosthalle weiter verfolgen?

Weinen: Wenn es neue Aspekte gibt, kann man das Thema weiter verfolgen. Aber die Fakten, die jetzt auf dem Tisch liegen, deuten darauf hin, dass sich das Projekt Wohnunngsbau auf dem Bosfrostgelände nicht rechnet. Aber ich bin nicht im Bauausschuss. Punkt aus.

herrsching.online: Beim Bofrostgelände steht ja immer wie ein weißer Elefant das Thema Bahnunterführung im Raum. Wie stehen Sie denn zu einer Bahnunterführung?

Weinen: Wenn der Verkehr fließt, ist das immer positiv. Und wenn eine Unterführung kommt, ist das sicherlich kein Nachteil für den Verkehrsfluss. Aber ich habe da keine politische Leidenschaft für die Unterführung entwickelt.

herrsching.online: Ihr Partei- und Fraktionskollege Schneider sagte einmal, man müsse den Individualverkehr behindern, wo es gehe. Eine Unterführung wäre doch eher das Gegenteil davon?

Weinen: Man muss Straßen innerorts tatsächlich unattraktiv für Autos machen und eher attraktiv für Fußgänger und Radler. Ein positives Beispiel ist sicherlich die Fahrradstraße in der Madeleine-Ruoff-, Hanauer- und Summerstraße. Da würde ich mir aber wünschen, dass die Regeln für eine Fahrradstraße noch deutlicher kommuniziert werden.

herrsching.online: Gemeinderäte auf der linken und der Stirnseite des Sitzungstisches verstehen sich mehr oder weniger als Fortschrittskoalition. Bei der SPD-Fraktion, die ja auch gegenüber der CSU-Fraktion ihren Platz hat, weiß man nicht immer genau, für was sie steht und wie sie abstimmt. Ist die SPD-Fraktion eine Wundertüte?

Weinen: Das ist auch gut so. Wir klären unsere Position zuerst im Ortsverein und innerhalb der Fraktion und gehen dann nach draußen. Ich bin kein Freund von Politik-Spektakel, sondern von sachlicher Arbeit im Gemeinderat.

herrsching.online: Was steht denn für die nächsten 3 Jahre auf Ihrer Agenda?

Weinen: Wir übernehmen die Weltherrschaft und machen alles neu…

herrsching.online: … mit Ihren 3 Ratsmitgliedern?

Weinen. Nein, im Ernst. Uns ist wichtig, dass man die ökologischen und die sozialen Fragen immer zusammen denken. Dazu gehört auch der Zusammenhalt in der Gemeinde. Was nützt es Herrsching, wenn wir hier viele Zweitwohnungsbesitzer haben – und keiner interessiert sich für das Schlossgartenfest. Verkehr und öffentlicher Nahverkehr sind uns wichtig.

herrsching.online: Wenn Sie Zweitwohnungen in Herrsching ansprechen: Warum ist die Zweitwohnungssteuer in Herrsching relativ niedrig? Diese Steuer ist doch auch ein Lenkungsinstrument?

Der Chef der Herrschinger SPD, Werner Odemer

Odemer: Andere Städte und Gemeinden haben diese Steuer schon angehoben, Herrsching wird da bald nachziehen.

Weinen: Die Gewerbesteuer ist schon angehoben worden. Aber es gibt ja noch andere Steuern, zum Beispiel die Grundsteuer.

herrsching.online: Die Pro-Kopf-Verschuldung wird im aktuellen Jahr in Herrsching wieder ansteigen von 60 Euro auf über 300 Euro…

Weinen: Aber Herrsching bleibt attraktiv für junge Leute, die mit Kindern nach Herrsching ziehen.

herrsching.online: Ist Bevölkerungswachstum, das nicht durch großen Kindersegen generiert wird, überhaupt wünschenswert?

Odemer: Wir haben in Herrsching ein Bevölkerungswachstum von ungefähr 0,5 Prozent pro Jahr. Damit kann man leben. Dieses Wachstum ist verkraftbar. Es ist ja nicht so, dass wir es mit einer Bevölkerungsexplosion zu tun haben, die eine Gemeinde überfordern würde.

herrsching.online: Diese Verkehrswelle an Ausflugstagen könnte die Lebensqualität in Herrsching schmälern. Wären da nicht Maßnahmen sinnvoll, um die Blechlawine im Sommer zu kanalisieren oder gar auszubremsen?

Odemer: Durch eine Verdoppelung der Parkgebühren könnte man steuernd eingreifen. In Nachbargemeinde wie Wörthsee hat man ja schon an dieser Schraube gedreht. Ich vermute, dass man auch in Herrsching nachsteuern wird. Aber ich finde es in Ordnung, wenn Ausflügler ihren Sonntag am See genießen. Wenn man zum Beispiel in Herrsching am Sonntag ein komplettes Parkverbot erlassen würde, würde es sehr einsam werden hier. Aber ich bin nicht für eine solche radikalen Lösung, sondern für dosierte Maßnahmen wie die Erhöhung der Parkgebühren oder die Errichtung von seefernen Parkplätzen.

herrsching.online: Erstaunlich, dass es für diese Problemfelder noch keine Initiativen im Gemeinderat gibt.

Odemer: Der Problemdruck ist ja noch nicht so brutal. Im Sommer gibt es ein paar Sonntage, die verkehrsmäßig dramatisch sind.

Weinen: Unser neues Verkehrskonzept ist ein Riesenfortschritt für Herrsching. Man muss aber bei allen Überlegungen auch für Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen. Die kleinen Schritte wie die Fahrradstraßen, Querungshilfen oder Parkbuchten-Regelungen sind sehr positiv und von der Bevölkerung akzeptiert. Erinnern Sie sich nur an den Aufschrei wegen der Blumenkästen in der Summer- und der Seestraße. Da hatte sich sogar der Bund der Steuerzahler eingeschaltet. Heute kräht kein Hahn mehr wegen dieser Kästen.

herrsching.online: Touristen setzen sich gerne in den Schatten mächtiger Bäume. Wie steht denn die SPD zu einer neuen Baumschutzverordnung?

Weinen: Ich meine, man sollte sich über einen Baumschutz mal Gedanken machen. Es schadet Herrsching sicher nicht, sich eine Baumschutzverordnung zu geben. Die alte Verordnung ist aus bekannten Gründen nicht weiter verfolgt worden. Mal schauen, ob wir eine neue Verordnung im Gemeinderat durchsetzen können.

herrsching.online: Wie sieht Herrsching in 10 Jahren aus?

Weinen: Der Kienbach wird wieder zugänglicher sein, wir werden viele Neupflanzungen am Kienbach haben, und wir werden Veränderungen am Bahnhof haben.

herrsching.online: Wird der Bahnhof, sprich die Endhaltestelle der S-Bahn, an der alten Stelle sein?

Odemer: Natürlich. Ein Bahnhof muss mitten im Ort liegen.

herrsching.online: Wir leben in 10 Jahren noch gerne in Herrsching?

Odemer: Selbstverständlich. Es wird noch schöner sein als jetzt.

2 Comments

  1. Für viele junge Familien mit Kindern im entsprechenden Alter wäre ein modernes Gymnasium am Ort sicher eine große Attraktion. Bis jetzt müssen diese Kinder und Jugendlichen immer noch weite Schulwege auf sich nehmen und sind eigentlich im Ort nicht richtig verhaftet (eigene Erfahrung).
    Die Haupteinnahmen im Gemeindehaushalt generieren sich aus der Einkommenssteuer, über deren Höhe nicht die Gemeinde entscheidet.
    Die jungen Familien würden aber mit einiger Wahrscheinlichkeit zu höheren Einnahmen aus der Einkommenssteuer beitragen, sodass die höhere Verschuldung keine große Rolle mehr spielen dürfte.

  2. Sehr geehrter Herr Weinen,

    als ehemaliger Gemeinderat, Ureinwohner von Herrsching, und Familienvater von zwei mittlerweilen erwachsenen Jugendlichen, kann ich Ihrer Ausführungen „Aber Herrsching bleibt attraktiv für junge Leute, die mit Kindern nach Herrsching ziehen“ in keinster Weise nachvollziehen. Die hauptsächlich durch den sinnlosen am Standort Mühlfeld durchgepeitschten Neubau des Gymnasius Herrsching verursachten „Pro-Kopf-Verschuldung“ von 60.- Euro um 500% auf über 300.- Euro wird sicherlich die Gemeinde mittels Steuererhöhungen abfedern müssen. Ergo wird es auch Familien treffen, die ohnehin schon sparen müssen! Und welche Familien wollen Sie nach Herrsching locken, wenn Sie einer Grundsteuererhöhung bereits als selbstverständlich ansehen? Nix für unguat!

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