Diplom-Ingenieurin Angela-Burkhardt-Keller

11 Stunden Verwaltungsaufwand für den Schutz der Bäume

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Diplom-Ingenieurin setzt sich mit Argumenten gegen eine Baumschutzverordnung auseinander/Heute stellt Bürgerinititative neue Baumschutzverordnung vor//

„Wir sollten Bäume mit mehr Respekt behandeln und uns um sie kümmern.“ Herrsching kümmert sich heute ab 19 Uhr intensiv um unsere Bäume. Die Bürgerinitiatve stellt im Kurparkschlössl den Entwurf einer neuen Baumschutzverordnung vor. Im Vorlauf zeigt die Initiative den neuen Film über die fragile Schönheit des Kienbachs. Der Eintritt ist frei. Im Saal liegen auch Unterschriftenlisten aus, mit denen Pro Natur durchsetzen will, dass der Entwurf der Baumschutzverordnung im Gemeinderat behandelt wird.

Die Diplom-Ingenieurin und zertifizierten Baumkontrolleurin Angela Burkhardt-Keller setzt sich im Interview mit herrsching.online mit den Argumenten gegen eine Baumschutzverordnung auseinander.

herrsching.online: Baumschutzverordnungen gelten in vielen Rathäusern als bürokratische Monster. Wieviele Kommunen in Bayern haben einen Baumschutz, und warum trauen sich so wenig Rathäuser an Verordnungen ran?

Burkhardt-Keller: In Bayern haben nur 94 von von 2.056 Kommunen eine Baumschutzverordnung. Das ist der Stand von 2019. Das sind nicht mal 5 Prozent der Kommunen. Bei der Frage nach dem Warum kommen meist pauschale Vorurteile als Argumente, die zeigen, dass zu wenig Bewußtsein und Wissen rund um das Thema Bäume und Schutzverordnung vorhanden sind. Und bei so wenigen Verordnungen in Bayern kann man nicht so einfach von der Nachbarkommune lernen. Außerdem sind Regelungen, die das Eigentum betreffen, unpopulär. Das scheuen die Politikerinnen und Politiker. Dabei tragen sie Verantwortung für das ästhetische Bild, den Klima- und Artenschutz in ihrer Gemeinde. 

herrsching.online: Wieviel Verwaltungsarbeit  verlangt eine Baumschutzverordnung? Eine Verordnung ohne kommunale Kontrolle ist ja ein stumpfes Schwert?

Burkhardt-Keller: Die Recherchen des BN haben ergeben, dass pro 1.000 Einwohner und Monat rund eine Stunde Arbeitsaufwand entsteht.

herrsching.online: Kann man eine Verordnung so rechtssicher formulieren, dass sie vor jedem Verwaltungsgericht Bestand hat?

Burkhardt-Keller: Die ständige Gartenamtsleiterkonferenz stellt im Internet eine Musterbaumschutzsatzung zur Verfügung. Da herrscht dann schon Rechtssicherheit. Außerdem gibt es Kommunen, die Verordnungen seit Jahrzehnten erfolgreich umsetzen.

herrsching.online: In Herrsching kommt immer das Argument, dass eine Verordnung kontraproduktiv sei, weil vor dem Inkrafttreten noch mal kräftig abgeholzt werde. Stichhaltiges Argument?

Burkhardt-Keller: Dieses Argument läßt sich durch unsere Befragung nicht belegen. Natürlich kann es bei einzelnen Baumeigentümerinnen und -eigentümern dazu kommen, allerdings ist das eher die Ausnahme als die Regel. Eine Kommune, die kurz vor Einführung einer Baumschutzverordnung fast baumfrei geschlagen wurde, ist beim BN nicht bekannt. Da sollten die Gegnerinnen und Gegner mal eindeutige Beweise und nicht nur Vermutungen vorbringen.  

herrsching.online: Baumschutz-Gegner berufen sich auf das Eigentumsrecht, weil ein Baum angeblich Bauherren in ihrem Gestaltungswillen beeinträchtigen kann. Geht Baumschutz vor Eigentumsrecht?

Burkhardt-Keller: Nein, das ist ein plumpes Argument. Das Baurecht steht über einer Baumschutzverordnung, die lediglich eine kommunale Verordnung darstellt, während beim Bauen Landesrecht, Bundesrecht und weiter Regelungen gelten. Das bedeutet, dass Bäume, die unter die Verordnung fallen, kein Baurecht verhindern. Allerdings kann durch eine Verordnung die Ersatzpflanzung von Bäumen geregelt werden, die im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens zuvor zur Fällung genehmigt werden mussten. 

herrsching.online: In München sind nach einem Zeitungsbericht trotz Baumschutzverordnung 2000 Großbäume gefällt worden. Die Münchner Verordnung – ein zahnloser Tiger?

Burkhardt-Keller: Nach Berechnungen des BN haben wir in den letzten 10 Jahren rund 2.000 Bäume pro Jahr verloren, die unter die Baumschutzverordnung gefallen sind. Ohne eine Verordnung wären es aber noch viel mehr. Rund 500 Bäume können in München pro Jahr durch die Baumschutzverordnung erhalten werden. Darüberhinaus wird Geld, das durch Ausgleichszahlungen für gefällte Bäume eingenommen wird, in die Pflege und Neupflanzung von Bäumen investiert. Es entstehen so deutlich mehr Handlungsoptionen im Bereich der Pflege und des Erhalts des Baumbestandes als ohne Verordnung.

2 Comments

  1. Echt erstaunlich wie man Bäume im Land missachtet. Reinlichkeitswahn
    Kein Mensch käme in Frankreich, England oder den USA auf die Idee, uralte Bäume abzusägen. An sich müssten die wertbildender Faktor sein!

  2. „ Außerdem sind Regelungen, die das Eigentum betreffen, unpopulär. Das scheuen die Politikerinnen und Politiker.“

    Absolut korrekt und es ist mir als Liberaler auch schleierhaft, wie man das in Frage stellen kann. Gerade in diesen Zeiten zeigt sich doch, wie schwierig es ist, den Wert verschiedener materieller und immaterieller Güter gegeneinander abzuwägen. Eigentum ist in einem demokratischen Land ebenfalls ein hohes Gut. Herrsching ist grün und das soll auch so bleiben. Aber man nicht alles bis ins letzte Detail regeln und kontrollieren.

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