Bäume mögen Stürme nicht besonders. Weil es aber immer mehr „Starkwindereignisse“ gibt, geben alte Bäume immer öfter auf, klagte der Chef der Herrschinger Firma Treevolution, Marcus Schaft, in der letzten Gemeinderatssitzung. Herrschings Bäume aber seien in einem guten Pflegezustand, bescheinigte der wissenschaftliche Baumkontrolleur. Die Fachfrau in der Herrschinger Verwaltung, Franziska Kalz, habe einen guten Job gemacht. Schaft berichtete den Gemeinderäten vom Herrschinger Baumkataster, in dem bislang 2142 Bäume gelistet sind. Schaft hat den Gemeinderäten zudem Lust auf Grün gemacht: Bäume könnten künftig als Vermögenswert einer Gemeinde geführt und zum Standort-Vorteil werden. Bäume verbessern nicht nur das Binnenklima einer Stadt, sie sind künftig auch bares Geld wert: Das Finanzamt zahlt dem grünen Bürger irgendwann sogar eine Kohlenstoff-Pauschale aus.
Von den 2142 Bäumen auf Herrschinger Gemarkung sind nur 113 „Risikobäume“, die für die Verkehrssicherheit kritisch werden könnten. 53 mögliche Baumstandorte sind derzeit „unbesetzt“. Schaft schrieb der Seegemeinde ins „Stammbuch“, dass sie grün und mit dem Baumkataster sogar Vorreiter unter den bayerischen Gemeinden sei.
Diese Vorzugsnote allerdings gibt es nicht gratis: Herrsching hat bisher 17 400 Euro in das Baumregister investiert. Das Wissen um den Standort und Zustand der grünen Mitbewohner hilft dem Bauhof, Baumschäden früh zu erkennen und prekäre Äste und Kronen zu beseitigen, bevor sie den Menschen auf Dach und Haupt fallen.
Das Kataster (aus dem Italienischen für Steuerlisten) könnte aber auch einmal Geld zurückbringen. Dieser Payback-Effekt ist freilich noch ein fernes Rauschen im politischen Blätterwald: Schaft ist sich sicher, dass Bäume irgendwann nach ihrer Kohlenstoff-Speicherung bewertet und in der Bilanz von Gemeinden und Städten auftauchen werden. Dazu muss aber erst einmal bestimmt werden, wieviel CO2 jede einzelne Baumart speichern könne. Inzwischen gebe es 7 verschiedene Methoden, Bäume klimatechnisch zu bewerten. Wenn es dann einmal eine gesetzliche Grundlage dafür gibt, könnten Bäume auch im Grundbuch registriert werden. Diese Einträge wären dann wichtig für eine CO2-Pauschale vom Finanzamt.
Welche Baumarten man künftig pflanzen solle, fragte Gemeinderat Roland Lübeck den Experten. Schaft gab keine konkrete Antwort, weil die richtige Baumart vom jeweiligen Standort abhänge. Claudia von Hirschfeld wollte vom Treevolution-Chef wissen, welchen praktischen Nutzwert ein gemeindliches Baumkataster habe. „Es liegt im Interesse der Gemeinde“, meinte Schaft.
Die Firma Treevolution mit Sitz in der Luitpoldstraße in Herrsching beschäftigt 60 qualifizierte Mitarbeiter, meist Gartenbau-Ingenieure und Forstfachleute, die 160 Kunden beraten. Jährlich führe die Firma etwa eine Million Baumkontrollen durch. Bis 2017 gehörte Treevolution zur Dekra, seither ist die Firma eigenständig unterwegs. Der Bürgermeister meinte nach der Präsentation des Baumkatasters, das Rathaus sei glücklich, solche Firmen in Herrsching zu wissen, Treevolution-Chef Schaft revanchierte sich mit dem Hinweis, dass die Seegemeinde grün sei.




Mir scheint die reduzierte Betrachtung von Bäumen unter dem Aspekt nur eines chemischen Elements, dem Kohlenstoff, eine unzulässige Simplifizierung des komplexen Mikrolebensraums Baum zu sein.
Verknüpft mit montären Aspekten wie Steuerermäßigungen, wird ein Baum dadurch letztendlich eine von einer Software bewertete und verwaltete Materie.
Selbst spezialisierte Botaniker*innen forschen immer noch an detaillierten Prozessen in der Natur der Bäume. Wohlleben z. B. zeigt auf, wie Baeume über das Wurzel-und Pilzgeflecht kommunizieren. Es gibt noch viele Unbekannte in der Interaktion aller Lebewesen in der Natur; wir wissen zwar um die Vernetzung, wir wissen auch, dass selbst gleiche Arten an verschiedenen Standorten unterschiedliche ökologische Nischen bilden. Simpel gesagt:das Eichhoernchen kann schon den Unterschied machen.
Was würden Pioniere der Ökobewegung wie Frederik Vester mit der Erkenntnis, dass Alles mit Allem zusammenhängt, wohl zur Degradierung von Bäumen als C Speicher und „Anlageobjekt“ sagen? Leidet nicht die Natur weltweit schon genug unter der Exploitation durch den Menschen, braucht es da noch ein neues Steuersparmodell?
Es muesste uns als Gesellschaft gelingen, den immateriellen Wert von Bäumen in den Vordergrund zu stellen mit einem respektvollen Blick(mein Freund, der Baum..) Nur dann werden sich nachhaltige Schutzbemühungen entwickeln können.
Mit dem Namen „Treevolution“ schwingt ein ökologisches Bewusstsein mit, das Herrsching gut stehen würde. Doch mit dem Baumkataster verfolgt Herrsching kein ökologisches Konzept. Wie von einem findigen Steuerberater lässt sich die Gemeinde ihre Bäume von der CO2 Steuer abziehen. Und solange sie im Öko-Energie Ranking das Schlusslicht ist, kann sie dafür auch jeden Baum brauchen.
Doch wie die Gemeinderätin Anke Rassmusen sehr treffend eingewendet hat, Bäume sind nicht immer gleich Bäume, auch ihr Standort muss betrachtet werden. Wenn am Ortsrand fünf Bäume gefällt werden ist das etwas anderes, als wenn man Mitten im Wohngebiet eine grüne Insel von fünf Bäumen fällt, so wie das z.B. am Kienbach passiert ist.
Monetär betrachtet ist ein Baugrundstück, das baumfrei eine Maximalbebauung zulässt, natürlich deutlich mehr wert, als ein Grundstück mit geschütztem Baumbestand. Vermutlich ist das auch der Grund, warum sich manche Herrschinger so vehement gegen eine Baumschutzverordnung wehren.
Ich frage mich, ob die Verluste von Bäumen, die durch das Prinzip „Baurecht vor Baumrecht“ entstehen, den Bauherren in Zukunft als CO2 Steuer auf den Kaufpreis aufgeschlagen werden, um daraus Herrschings „Ökovolution“ zu finanzieren ?
Das Unternehmen „Treevolution“ läßt in seinem Baumkataster leider privaten Baumbestand und Lebensqualität außen vor. Da besteht für das ambitioniert Unternehmen noch Entwicklungsbedarf.
Und übrigens: Auf google earth sind die Bäume am Fendbach, an der Mühlfelder Straße und am Kienbach noch zu sehen. Da das Unternehmen seine Berechnungen auch mit Hilfe von Satellitenbilder macht, könnten die Baumverluste nachträglich noch bilanziert und ausgleichend für Herrschings „Ökovolution“ angesetzt werden.