Die 4 „Musketiere", die sich für die Herrschinger Bäume schlagen: Konrad Herz, Initiatorin Christine Voit, Norbert Wittmann und Christine Hollacher. Foto: Gerd Kloos

„Motorsägen sind der Sound von Herrsching“

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Bürgerinitiative Baum- und Bachfreund*innen gibt erste Pressekonferenz//Dissens zwischen Initiatorin und Ex-Bürgermeisterin über Rolle der BI//

Für Kettensägen könnten in Herrsching härtere Zeiten anbrechen: Eine neue „Bürgerinitiative Baum- und Bachfreunde – Pro Natur Herrsching“ beklagt den immer lauter werdenden „Sound von Herrsching“, der aus den Baum-Gouillotinen dringt. In einer Pressekonferenz beklagten die 4 Sprecherinnen und Sprecher der BI große Umwelt-Defizite in Herrsching.

Neben der Initiatorin Christine Voit vertreten die Ex-Bürgermeisterin Christine Hollacher, der ehemalige Polizei-Abteilungsleiter Norbert Wittmann und der Gartenbau-Ingenieur Konrad Herz 50 Baum- und Bachfreundinnen und -freunde. Die BI versteht sich nicht als Verein mit klarer Mitgliedschaft, sondern als lose Interessenvertretung für die Natur. Dass das Programm noch nicht in allen Details ausgearbeitet ist, wurde bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen Voit und Hollacher deutlich. Während Hollacher Gemeinde, Behörden und Gemeinderat „beraten“ will, möchte Voit mehr politischen Druck aufbauen – notfalls auch mit Unterschriften-Aktionen.

Eine reine Außerparlamentarische Opposition ist die Initative nicht: Im Unterstützerkreis arbeiten auch die Gemeinderätin Traudi Köhl und die Gemeinderäte Gerd Mulert (Grüne) sowie Rainer Guggenberger (BGH) mit.

„Damals hatte sich das richtig angefühlt“, sagte Christine Voit, damals, als sie mit ihrem Mann von München nach Herrsching gezogen war. „Aber das glänzende Bild unseres Ortes hat Kratzer bekommen.“ Die Motorsägen seien allmählich zum Sound von Herrsching geworden. Und dann folgt im Vortrag der Initiative-Initiatorin eine lange Liste von toten Bäumen: Andechser Hof, Rieder Straße, Seehof, Fendlbach, Rieder Straße. Allein das Gelände des Neubauviertels Lagom neben der Polizei sei ein trauriges Kapitel nicht eingelöster Versprechen. Bürgermeister Schiller habe damals versprochen, dass hier wieder ein Wald-ähnlicher Baumbestand entstehe. Voit fand aber nicht nur bei den Behörden Baumfrevel. Nachbarn hätten Birken gefällt mit der Bemerkung: „Wir haben sie geliebt und gehasst.“ Die BI-Sprecherin kritisierte auch hemmungslose Bauwut. „In der Schönbichlstraße sehen manche Häuser aus, als seien sie in den Hang getackert worden.“ Touristen, so Voit, würden sie ansprechen: Was macht Ihr eigentlich aus Eurem Herrsching?“

Der Urknall für die Bildung der Bürgerinitiative „Baum- und Bachfreund*innen, Pro Natur Herrsching“ war eine Rodungsaktion in der Fischergasse. Dem Kettensägen-Massaker fielen am 28. Januar 5 gesunde Bäume zum Opfer – gefällt durch das Verdikt des Wassserwirtschaftsamtes Weilheim. „Die Vögel, die in den Bäumen lebten, haben abends ihre Schlafplätze gesucht und sind orientierungslos umhergeflogen“, klagt Voit.

„Diese Aktion des Wasserwirtschaftsamtes“, so Voit, „war aber eine Nummer zu groß. Und die Empörung selbst von Passanten war gewaltig.“ Auch ein Gemeinderat, sonst akademisch gepuffert, diktierte dem Reporter in den Block: „Ein starkes Stück, dass in der Gemeinderatssitzung von den Baumfällungen nicht berichtet wurde.“

An dieser Stelle kam der Ingenieur für Gartenbau, Konrad Herz, bei der Pressekonferenz ins Spiel: „War die Fällaktion eine Sofortmaßnahme des Wasserwirtschaftsamtes oder waren das Unterhaltsmaßnahmen? Wir haben keine klare Antwort bekommen.“ Die ehemalige Bürgermeisterin Christine Hollacher meinte, es sei nicht auszuschließen, dass da eine privat hochwillkommene Fällung auf Kosten der Steuerzahler vorgenommen worden sei. In der Bürgeriniative kursieren Gerüchte, dass für das jetzt baumfreie Grundstück bald ein Bauantrag eingereicht werde. Eine Bestätigung dafür gibt es aber nicht.

Hollacher ging in diesem Zusammenhang auf die heiß diskutierte Kienbach-Sanierung ein. Die Sorge, dass im Zuge der geplanten Totalsanierung des „Wildbachs“ der Stufe 3 noch mehr Bäume dran glauben müssten, sei groß. Die Bürgerinitiative wolle verhindern, dass die Behörden den Bach als „effektives Schussgerinne“ betrachten. „Der Kienbach“, versicherte Christine Voit noch einmal „ist auch bei Starkregen noch nie übergelaufen.“ Kein Grund also, eine Betonbadewanne für das romantische Bächlein zu gießen.

Gartenbau-Ingenieur Herz, der mit bildkräftiger Sprache der Pressekonferenz Kolorit verlieh, erzählte in seinem Statement, dass er in den ersten Wochen nach dem Umzug aus dem Ruhrgebiet nach Herrsching immer die Hotelrezeption gesucht habe, weil er sich hier wie im Urlaub gefühlt habe. Er geißelte die behördlich versprochenen Kompensationspflanzungen an: „Von den Bäumen, die wir jetzt pflanzen, profitieren nicht einmal unsere Kinder.“ Es dauere 50 Jahre, bis man für einen Baum mit 50 Zentimeter Durchmesser einen ökologisch gleichwertigen Ersatz geschaffen habe. Herz ist sich sicher, dass in den letzten Jahren deutlich mehr Bäume in Herrsching gefällt als neu angepflanzt wurden.

Herz träumt trotzdem ganz konkret davon, dass er vor der Volksbank drei neue Bäume aus der Liste der Klimabäume der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim pflanzen darf – auf Kosten von Baumsponsoren.

Der ehemalige Leiter einer Bundespolizei-Abteilung, Norbert Wittmann vervollständigt den vierköpfigen Sprecherkreis. Er plädierte für einen Kienbach, der wieder als Bach wahrgenommen wird. Der Bach sei wichtig für die Attraktivität von Herrsching. Tatsächlich wissen viele Herrschinger nicht viel über ihren Hauptbach, der sich am Bahnhof sogar in den Untergrund verabschieden muss. Wittmann hatte mit kriminalistischer Hartnäckigkeit nachgewiesen, dass andere Gemeinden mit funktionierender Baumschutzverordnung auch nur eine Planstelle für den Baumschutz haben.

Eine neue Baumschutzverordnung ist jedenfalls eines der konkreten Nahziele der Bürgerinitiative. „Und wir wollen nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner“, gab Christine Voit zu Protokoll. Hier blitzte auch kurz ein kleiner Dissens zwischen Voit und Hollacher auf. Während sich die ehemalige Bürgermeisterin und Parlamentsmitarbeiterin der Freien Wähler als „Beraterin“ der Verwaltung und des Gemeinderates verstehen will, sieht Christine Voit die Arbeit des BI doch etwas konfrontativer. „Nur als Beratungsorgan zu arbeiten ist mir doch etwas zu harmonisch“, meinte die studierte Geografin, Lehrerin und Schulpsychologin. „Wir brauchen in der Gemeinderverwaltung, im Gemeinderat und in der Herrschinger Bevölkerung einen ökologisch orientierten Paradigmenwechsel“, sagten die BI-Sprecher. Das ist Konsens und Programm bei den Baum- und Bachfreund*innen. Inzwischen gibt es sogar eine eine Mailadresse für die BI: info@pronaturherrsching.de

7 Comments

  1. Baumhaus, Erdhöhle und Hängematte ?
    Warum wundern mich jetzt diese Kommentare nicht ! Etwas anderes habe ich nicht erwartet. Offensichtlich möchte man die Notwendigkeit dieser Baumfällungen gar nicht wahrnehmen, Hauptsache dagegen und sein vermeintliches Spezialwissen mit aller Vehemenz unter die Leut bringen.
    Wen wundert es da noch, dass wir bei so vielen Projekten in Deutschland hinterherhinken.

  2. Da das Baumhaus und die Erdhöhle leider schon vergeben sind, bleibt mir nur noch die Hängematte. Die ist allerdings auch sehr bequem. Es könnte allerdings kritisch werden, da Frau Knapo-Ginder ja offensichtlch befürwortet, dass aus Sicherheitsgründen alle Bäume gefällt werden sollten. Dann werde ich meinen Platz in der Hängematte doch räumen müssen. Aber vielleicht können wir ja alle gemeinsam mit Frau Knapo-Ginder ein paar Bäume als Ausgleich pflanzen. Dabei sollte es sich aber um absolut verkehrssichere Exemplare handeln.

  3. Nachdem sich mein Kompanion schon aus dem Baumhaus bei Ihnen gemeldet hat, sehr geehrte Frau Knapo-Ginder, moechte ich noch Grüße aus meiner Erdhöhle nachreichen. Es geht nichts ueber gefestigte Feindbilder und generalisierende Aussagen. Nur, dass Sie uns gleich das Menschsein absprechen (man beachte das Anfuehrungszeichen bei „Personen“!) geht schon ein bisschen weit,finden Sie nicht?
    Als leibhaftige Person lade ich Sie zu einem persoenlichen Austausch, vielleicht unter einem Baum, der so was von verkehrssicher ist, ein- und vielleicht stellen wir dann fest, dass wir Alle es doch irgendwo nur gut meinen oder uns das zumindest nicht von vorneherein absprechen sollten.

  4. Da hangel ich gerade (Typen wie wir verpennen mindestens den halben Vormittag) aus meinem Baumhaus weil ich den Nachbar um einen Blick in seinen Holzlaptop bitten möchte (der Nachbar hat die Solarpaneele auf seinem Tipi), da zischelt mir der unrasierte Waldschrat schon durch seine schlechten Zähne zu: „Du bist in der Zeitung“

    Na Frau Knapo-Ginder, da haben Sie ja mal einen rausgehauen – Chapeau!!

    In meinem Leben habe ich (außer dem Baumhaus natürlich) noch nie ein Haus gebaut und als ich am 26. April 1986 (kann mich so gut erinnern, weil an dem Tag Tschernobyl seinen GAU erlebte) meinen 1000sten Baum gepflanzt habe, nicht geahnt, dass das mal irgendjemanden so brennend interessieren könnte. Ich kann wirklich nicht sagen, wieviele es mittlerweile sind …. entschuldige Sie vielmals.

    Seit ich in Herrsching lebe, sind in zehn Jahren zu den tausenden noch zwanzig auf Herrschinger Grund dazu gekommen.
    Gerade hat „Pro Natur Herrsching“ der Gemeinde noch mal drei angeboten. Kostenlos.

    Und nun muss ich zum Baumarkt mit meinem Segelfahrrad und Hanfschrauben kaufen, damit ich das Baumhaus sichern kann.
    Hinterher fällt gerade Ihnen noch was auf den Kopf.
    Und glauben Sie mir: niemandem von „uns“ ist Ihr Gesundheit oder die Gesundheit der anderen Mitmenschen so gleichgültig, wie Sie behaupten. Ganz im Gegenteil.
    Quasi deswegen interessieren wir uns so intensiv für MEHR Grün.

    Übrigens: das von Ihnen gebrauchte Zitat wird unterschiedlich interpretiert.
    Wer schon so tief gefallen ist, dass sie/er sich nicht mehr geniert auf diesem tiefen Niveau weiter zu machen, ist eine der Möglichkeiten. Wer weiß?
    Beim Orakel Sibylle sollen die Vorhersagen meist doppeldeutig oder gar in Form eines Rätsels ergangen sein.

  5. Es wäre interessant zu erfahren, wo denn die Anti-Kettensägen-Fraktion wohnt oder gebaut hat ! Waren da vielleicht auch vormals Bäume oder wohnen die in Baumhäusern ? Es geht diesen Gegnern ja nicht um Sicherheit, das ist solchen Leuten egal ! Wieviele Bäume haben diese“Personen“ in ihrem Leben bereits gepflanzt ?
    Hier gilt der Spruch „mit voller Hose ist gut stinken‘ !

  6. Dass Herr Schiller nach wie vor behauptet, er habe von der Fällaktion keinerlei Kenntnis gehabt, obwohl er seitens des WWA informiert war, muss sehr kritisch hinterfragt werden. Auch das ist ein ein politisches Statement, das sehr nachdenklich macht.

  7. Meine Gratulation und ein Dankeschön an all diejenigen, die sich ProNaturHerrsching einsetzen!
    Es ist höchste Zeit, dass die politischen Gestalter Herrschings aufwachen, und dass Weichen für die Herausforderungen unserer Zeit gestellt werden – und diese müssen ProNatur sein! Nur so können Lebensqualität und Wohlstand für die Bürgerinnen und Bürger Herrschings gesichert werden.

    Bäume bedeuten Klimaschutz, das weiß inzwischen jedes Kind. Dafür gibt es auch CO2 Rechenmodelle und „grüne footprints“, die man sich kaufen kann, wenn man selbst das Klima belastet. Das ist eine Möglichkeit. Für Menschen, die weinend zugesehen haben, wie gesunde Bäume reihenweise vor ihren Fenstern den Kettensägen zum Opfer fielen, ist auch ihre Lebensqualität verschwunden.
    Bäume und Brunnen waren schon immer Mittelpunkt von menschlichem Miteinander. Dafür hat Herrschings Politik das Gefühl verloren. Dass Herr Bürgermeister Schiller, während in Herrsching Dutzende von Bäumen fielen, nach Costa Rica in den Urlaub flog, ist auch ein politisches Statement !

    Hochwasserschutz ist für alle Herrschinger wesentlich. Durch immer höhere „Flächenversiegelung“ in Herrsching, werden hohe Niederschlagsmengen über das Kanalsystem abgeleitet. Bei Starkregen kommt es zur Überlastung des Kanalnetzes, was ein hohes Risiko für Sturzfluten darstellt. Ein Vorgeschmack gab es zuletzt 2016 als nach Starkregen die Hechendorferstraße zum Wildbach wurde, die Summerstraße und viele Keller unter Wasser standen. Die wichtigste Konsequenz wäre ein nachhaltiges Bodenmanagement, also auch ein Ortsplanungskonzept, bei dem anfallendes Regenwasser, wie durch einen Schwamm, lokal aufgenommen und gespeichert wird. Die dafür notwendige Infrastruktur besteht z.B. aus versickerungsfähigen Verkehrsflächen, Pflaster mit Splittrigen, sowie einer landschaftstektonischen Infrastruktur mit innerörtlichen Blühwiesen, Bäumen, sowie Fassaden- und Dachbegrünungen.

    Energiewende scheint für Herrschings Politik eine Fremdwort zu sein. Beim Stromverbrauch in Herrsching war der Anteil aus erneuerbaren Energien 2020 nur 5,7 %. Die Heizenergie Herrschings stammt zu 86% aus fossilen Energien, davon 48% aus Erdgas. (So die Zahlen des Landratsamts STA). Bis 2035 muss jede Gemeinde „Energie-Autark“ werden und zu 100% Energie aus Erneuerbaren Energien beziehen, so die gesetzliche Vorgabe für den Landkreis Starnberg. Ein Geothermiewerk in Herrsching könnte z.B. Strom für 9.000 Haushalte und Wärme für 1.500 Haushalte erzeugen – zu 100% CO2 frei . Doch Herrsching unterstützt Geothermie und Windkraft lieber außerhalb der Gemeinde und kann keinerlei Konzept vorweisen, wie sie innerhalb der nächsten 13 Jahre die Energiewende schaffen will.

    Ich erinnere mich daran, wie wir Eltern des Kindergartens Kunterbunt uns bereits 2009 aktiv für ein Kinderhaus an der Riederstraße eingesetzt haben. Für die Kinder Herrschings gab es nicht genügend Kindergartenplätze, geschweige denn Kinderkrippenplätze. Nun, 13 Jahre später, gibt es immerhin eine Baugenehmigung für das neue Kinderhaus.
    Wenn die Energiewende genauso lange dauert, wie das Kinderhaus für Herrsching, sehe ich schwarz für die Zukunft der Gemeinde Herrsching.

    Es ist höchste Zeit zu HANDELN !

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