Christina Reich, Zweite Bürgermeisterin von Herrsching, vertritt zur Zeit Christian Schiller

„Bevölkerung will hohe Wirtschaftsleistung, Parkraum, Wohnraum, Elektronik, mehr Tourismus“

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Muss Herrsching mehr Ökologie wagen? Die Zweite Bürgermeisterin Christina Reich stellt sich im herrsching.online-Interview den immer drängenderen Fragen zur Kienbach-Sanierung und zu den Baumfällungen der letzten Wochen, die sie als „alternativlos“ bezeichnet hatte.

herrsching.online: Im Exklusiv-Interview von herrsching.online  sagte ein Verantwortlicher des Wasserwirtschaftsamtes in Weilheim wörtlich: „Wenn die Anrainer, die direkt am Gewässer wohnen, bekunden, dass sie an einem naturnahen Bach wohnen wollen, kann man mit Sicherheit was machen.“ Wäre Ihnen auch ein Bach lieber, der in einem natürlichen Bett fließt, oder würden Sie eine betongestützte Radikalsanierung bevorzugen?

REICH: Mich faszinieren freilaufende Bäche, die im Unterlauf ja meist in großer Breite immer wieder ihren Lauf verändern und damit die Ufer-und Überflutungsbereiche neu gestalten. Was am Unterlauf des Kienbaches möglich sein wird, ist angesichts dessen, einerseits von den natürlichen Rahmen-Bedingungen auch im Oberlauf des Kienbaches und andererseits von der Gesamtheit der jeweils betroffenen Anlieger sowie den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten abhängig.

herrsching.online: Heute sind Ökologie und Nachhaltigung in der Wirtschaft und im Tourismus ein zentrales Verkaufsargument. Wäre Herrsching nicht gut beraten, mehr Ökologie zu wagen?

REICH: Die Ökologie ist die Lehre vom Naturhaushalt, da gibt es nichts zu wagen. Eine Lehre ist eine Lehre, Wagnis gibt es vielleicht, wenn ich sie in Frage stelle. Und der Naturhaushalt ist einfach wie er ist, wechselhaft, immer mit dem handelnd, was ihm gerade zur Verfügung steht. In dem Sinne wäre es förderlich, wenn die Gemeinde und alle Ihre Mitglieder sich bescheiden könnten, das süße„Wenig“ statt des bitteren „Mehr“ zu leben. Ich erläutere Ihnen das gerne! Denn das, was der Naturhaushalt dem Menschen und allen anderen Wesen zum Leben bieten kann, verändert sich entsprechend der Gesamtheit all dessen, was auf ihn wirkt. Auch die Lebensform Mensch mit seiner vielen Milliarden Individuen weltweit wirkt auf vielfältigste Weise auf ihn. Im Sinne der Daseinsvorsorge für die Bürgerschaft wäre es also gut, nichts oder möglichst wenig zu tun, was das Angebot des Naturhaushaltes für die Menschen in Herrsching oder auch weltweit kurz oder langfristig vermindern kann oder wird. Aber da sind die Begehrlichkeiten der Mehrheit der Bevölkerung: Sie will mehr oder wenigstens gleichbleibend hohe Wirtschaftsleistung, Parkraum, Wohnraum, Elektronik, mehr Tourismus, Lebenszeit in einem Naturhaushalt, der bereits an den Grenzen seiner Möglichkeiten wirtschaftet, was den belebten Teil seiner Haushaltsbestandteile angeht.

herrsching.online: Sie haben in der SZ den Fendlbachweg und die Baumfällungen als „alternativlos“ bezeichnet. Sind Politiker mitunter nicht zu Fachleute-hörig? Fachleute gelten oft nicht als besonders kreativ, wenn es gilt, alternative Lösungen zu finden. Inzwischen gibt es Gemeinderäte, die an der Sinnhaftigkeit eines breiten Radweges zweifeln. Auch in der CSU gibt es wichtige Entscheidungsträger, die sich als Baumfreunde bezeichnen. Haben Sie keine Bedenken, dass radikale Baumfällaktion wie am Fendlbach oder am Kienbach bei Wahlen ein Entscheidungsgrund sein könnten?

REICH: Die grundsätzliche Planung für das Gesamtneubaugebiet, mit Baulandentwicklung und dem Grunderwerb für den Kindergarten Fendlbach begann 2011. Das Bebauungsplanverfahren lief von 2013 bis jetzt zur letzten Änderung Anfang 2022. Die Planung für den Kindergarten begann mit der europaweiten Ausschreibung der Planungsleistungen 2020 und läuft noch. Dass der Verbindungsweg vom Kindergarten zum Stocket weg hergestellt werden soll, war politischer Wille des Gemeinderates Herrsching und wurde auch bis zuletzt nicht in Frage gestellt. Als sich im Rahmen der Vermessung und Planung des Weges herausstellte, dass möglicherweise nicht unerheblich in den vorhandenen Baumbestand eingegriffen werden muss, wurde ein Fachbüro beauftragt, ein Baumsachverständigengutachten zu erstellen. Mit dem Gutachten sollte untersucht werden, ob eine Möglichkeit besteht, den vorhandenen Baumbestand zu erhalten. Das Gutachten kommt letztendlich zu dem Ergebnis, dass auch bei wurzelschonender Bauweise der Baumbestand auf dem Baugrundstück nicht erhalten werden kann. Die Vorgaben für den Weg ergeben sich aus den Anforderungen der Barrierefreiheit, der Mindestbreite für Fuß-und Radwege von 2,5 Meter und dem Erfordernis der Beleuchtung des Weges, aus Gründen der Verkehrssicherheitspflicht. Für mich gab und gibt es keinen Grund, an dem Gutachten zu zweifeln. Sie sehen, wie lange der Weg von der Entscheidung über die Planung, bis zur Umsetzung dauert und all diese Schritte sind demokratisch im Gremium entschieden worden.

herrsching.online: Es gibt Leute, die behaupten, aus dem Rathaus sei dem Kulturverein geraten worden, nicht an der Künstler-Performance am Fendlbach teilzunehmen. Wissen Sie von solchen Vorgängen?

REICH: Ist mir nicht bekannt.

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