Frühwarnsystem soll Gegenmaßnahmen bei Sturzfluten auslösen/Gemeinderätin Köhl: Nicht mehr überall bauen, wo Hochwasser auftreten könnte//
Spione sollen gegen Überschwemmungen helfen: Herrsching plant ein Frühwarnsystem, das möglichen Starkregen erkennt und Feuerwehr samt Behörden alarmiert. Im Gemeinderat stellte am Montagabend eine Firma für Sturzflutrisiko-Management ihr Sensorensystem vor. Für 50 000 Euro Investment könnte Herrsching künftig viele Minuten früher wissen, ob es nasse Füße bekommt. Aber was passiert, wenn die Sensoren große Regenmengen melden, fragte Gemeinderat Roland Lübeck. Dann, so Bürgermeister Schiller, sind auch die Hausbesitzer am Zug.

„Herrsching hat ein topografisch anspruchsvolles Gelände“, meinte Hans Junginger, der das Warnsystem der Firma Spekter vorstellte. 17 Radarstationen in Deutschland überwachen das Regengeschehen über Deutschland. „Aber von diesen (bildgegebenen Systemen des Deutschen Wetterdienstes) kommt keine Aussage über die tatsächlichen Regenmengen.“ Deshalb brauche man lokale Frühwarnsysteme, die über Sensoren die Regenmengen messen und Alarm auslösen können.
3 Stationen will die Firma Spekter für das Herrschinger Gemeindegebiet und die Hochwasser-gefährdeten Gemeindeteile Breitbrunn, Widdersberg, Herrsching und Herrsching Süd aufbauen.
Tonschichten verhindern Versickerung bei Starkregen
Die Ursachen für eine Hochwassergefährdung von Herrschling liegen allerdings nicht nur in der Topografie, sondern in der Geologie. Gemeindearchivarin Dr. Friederike Hellerer: „In unseren Voralpen-Moränen gibt es wasserundurchlässige Tonschichten, die dem Sickerwasser den weiteren Weg ins Erdreich versperren”, weiß die Archivarin. Frei übersetzt: Es ist so, als schwitze das Erdreich die Wassermassen aus. 2016 geriet zum Beispiel der Fendlbach, der in Rausch entspringt, zum Hochwasser-Spender, Lochschwabs Keller verwandelten sich in Aquarien. Friederike Hellerer sah mit eigenen Augen, wie in Rausch das Wasser förmlich aus dem Acker schoss, als habe jemand einen Springbrunnen angestellt. „In Breitbrunn und Wartaweil hatte es nur getröpfelt, über Rausch und Lochschwab hatten sich die Himmelsschleusen geöffnet”, erzählt Hellerer.
2005 bekamen einige Einwohner von Breitbrunn nasse Füße. Der Weg zum Königsberg hatte sich in einen reißenden Bach verwandelt, das Wasser schoß die Wörthsee- und Hauptstraße runter und richtete in einem Autohaus großen Schaden an.
Sturzflutalarm – und was dann?
Gemeinderat Roland Lübeck (CSU) wollte nun vom Bürgermeister und vom anwesenden Feuerwehrkommandanten Daniel Pleyer wissen, wie lange denn die Reaktionszeiten zwischen Alarm und Gegenmaßnahmen seien. Pleyer versicherte, dass man schnell reagieren könne. Eine Sandsackbefüllungsanlage auf einem Anhänger ist bereits bestellt worden.
Bürgermeister Schiller wies zuerst einmal darauf hin, dass inzwischen auch die kommunalen Entscheidungsträger wegen verspäteter Warnungen zur Verantwortung gezogen werden könnten. „Im Ahrtal ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft gegen den Landrat“, führte Schiller aus.
Ganz wehrlos ist Herrsching im Katastrophenfall allerdings nicht: Im Landkreis Starnberg gebe es 5 Sirenenalarmanlagen – „und die stehen alle in Herrsching“. Schiller erinnerte an das Fendlbach-Hochwasser im Jahre 2016, bei dem das Wasser an den Kellerfenstern der Realschule schon 30 Zentimeter hoch gestanden habe. Hätte damals schon ein Frühwarnsystem Alarm geschlagen, hätte man die Realschüler schon früher nach Hause schicken können.
Bürger muss sein Haus selber schützen
Der Bürgermeister will die Verantwortung für Hochwasser-Gegenmaßnahmen aber nicht nur bei der Gemeinde abladen: „Auch der Bürger ist aufgefordert, sein Haus zu schützen.“ Zum Beispiel durch wasserdichte Fenster. Spekter-Experte Junginger noch kühner: Frühwarnalarmsysteme könnten auch elektronisch wasserdichte Schotts auslösen, die vor Überschwemmungen von Kellern schützen.
Grünen-Gemeinderätin Traudi Köhl stellte dann eine grundsätzliche Frage: „Die Gemeinde muss auch mal überlegen, ob man bei zunehmenden Starkregen-Ereignissen wirklich noch überall bauen darf.“ Das Kienbachtal zum Beispiel sei inzwischen zugebaut. Schiller bemerkte dazu, dass das Landratsamt und auch das Wasserwirtschaftsamt über Baugenehmigungen entscheide.
Wie gut ist das Krankenhaus geschützt?
Gemeinderat Thomas Bader (CSU) wies darauf hin, dass der Bach in Breitbrunn im Siedlungsgebiet „verrohrt“ sei. Bei Starkregen sei dieses Rohr überlastet. Gemeinderat Rainer Guggenberger (BGH) wies darauf hin, dass der Kienbach nicht das größte Problem im Gemeindegebiet sei. Mehr Risiko berge der Fendlbach in Lochschwab. Gemeinderat Alexander Keim (FDP) wollte wissen, wie gut die kritische Infrastruktur wie zum Beispiel die Klinik und das Altersheim gegen Hochwasser geschützt sei. Außerdem bat er um Auskunft über den Marktstatus der Firma Spekter.
Das von dieser Firma angebotene Frühwarnsystem soll, so die Gemeindeverwaltung, erst im nächsten Jahr installiert werden. Der Bürgermeister hofft noch, dass für die 50 000 Euro Kosten noch ein Fördertopf von der Staatsregierung geschaffen werde.
Die Gefahr von Überschwemmungen nimmt auch ständig durch die Unzahl der teuer vermieteteten oder verkauften Maximalbebauungen und Bodenversiegelungen von profitgierigen fremden Investoren zu. Wir und einige andere Herrschinger Bürger/Innen haben deshalb inzwischen seit einigen Jahren mit der Trockenlegung unserer nassen Einliegerwohnungen und Keller zu kämpfen.
Und diese Baugenehmigungen werden bei weitem nicht nur von Starnberg erteilt. Siehe die sieben, von Gemeinderäten und Rätinnen Herrrsching gerade neu genehmigten Einfamilienhäuser auf der Grünfläche an der Dorfstrasse in Widdersberg!
Der Kienbach in Herrsching:
Herrsching liegt auf dem Schuttkegel des ausgeschwemmten Kientales. Vom Ende des Kientales geht es noch 30 m bergab bis zum Ammersee. Dieser Schuttkegel fällt sowohl nach Westen zum See, aber auch nach Süden und nach Norden zum Pilsensee ab. Der Kienbach verläuft immer auf der Kuppe dieses Schwemmkegels. Falls der Bach einmal übergeht, wird das Wasser auch die Mühlfelder Strasse und die Strasse Zum Landungssteg durchfluten. In Herrsching herrschen ganz andere Verhältnisse als seinerzeit im Ahrtal. Grenzen für ein mögliches Überschwemmungsgebiet kann man in Herrsching für den Kienbach nicht ziehen. Daher ist ein sinnvoller Hochwasserschutz nicht realisierbar.