Ort der Begierde: Diese ehemaligen Bofrost-Mauern sollen für ein Wohngebäude weichen. Wer die Wohnungen mit günstigen Mieten aber bauen soll, weiß nach der Bauausschuss-Sitzung am Montag niemand

Verhindert Graffity-Wand wildes Sprayen?

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Da wäre sogar Rubens neidisch geworden: Herrschings Meistern der Farbdose steht eine 50 Meter lange „Leinwand”  zur Verfügung: Die Westseite der BoFrosthalle ist offizielle Graffity-Art-Zone. Hier darf sich jeder Sprayer austoben. Der Jugendpfleger der Gemeinde, Christian Kreilkamp, hatte im Gemeinderat  durchgesetzt, hier Herrschings Freiluft-Pinakothek der Moderne einzurichten.herrsching.onlineerzählt der Chef des Jugendhauses an der Baderstraße, was Herrsching für seine Jugend tut. Und ob das legale Sprayen verbotene Farborgien an S-Bahnzügen verhindern kann.

Gemeindejugendpfleger Christian Kreilkamp

herrsching.online:  Herrsching ist nicht als sozialer Brennpunkt in den Schlagzeilen. Die Gemeinde leistet sich einen Jugendpfleger und einen Streetworker und das Stellwerk als Begegnungsstätte. Ist dieses Engagement für Gemeinden in der Größenordnung Herrschings üblich?

Kreilkamp: In der Praxis entscheidet jede Gemeinde selbst, was erforderlich und angemessen für sie bedeutet und wie es um ihre Leistungsfähigkeit bestellt ist. Wir sind in Herrsching sehr gut aufgestellt, was die Jugendarbeit angeht. Das Team ist über die Jahre gewachsen, was auch den Bedarf ein Stück weit widerspiegelt. Ein Jugendhaus wie das Stellwerk in der Baderstraße ist aus meiner Sicht durchaus eine angemessene Einrichtung für eine Gemeinde wie Herrsching.

herrsching.online:  Welche Probleme beschäftigen den Jugendpfleger und den Streetworker besonders?

Kreilkamp: Wir hören immer wieder von jungen Menschen, dass sie sich wünschen, in der Öffentlichkeit toleriert und akzeptiert zu werden. Dazu gehören auch Orte, an denen sie einfach sie selbst sein können, ohne Konsumzwang und das Gefühl beobachtet oder verdrängt zu werden.

herrsching.online: 32 Prozent der Herrschinger sind über 60, aber nur 10 Prozent unter 20. Drückt sich diese auf dem Kopf stehende Pyramide in der Jugendpolitik aus?

Kreilkamp: Schwer zu sagen. Allerdings habe ich oft das Gefühl, dass die jeweilige „Lobby“ ganz anders aufgestellt ist. Das ist auch nicht ungewöhnlich. Als Mensch mit mehr Lebenserfahrung kann ich auf eben diese zurückgreifen, kann mich leichter vernetzen und finde auf bestimmten Ebenen leichter Gehör. Junge Menschen müssen sich erstmal orientieren und wissen, was sie überhaupt wollen, um sich dann zu organisieren. Das gelingt nicht allen, zumal man in diesem Alter mit den psychischen und physischen Entwicklungsprozessen der Adoleszenz beschäftigt ist.

herrsching.online: Der spektakulärste politische Kampf Jung gegen Alt war vor einiger Zeit der Streit um den Standort der Skater-Anlage. Habt Ihr den Eindruck, dass die Jugend mit ihren Anliegen noch durchdringt?

Stellwerk: Auch das Haus der Jugend trägt Graffity-Spuren

Kreilkamp: Punktuell werden Anliegen junger Menschen schon wahrgenommen, sowohl in positiver als auch negativer Art und Weise. Anliegen können sich auch hinter fragwürdigem Verhalten verbergen. Nicht jeder junge Mensch äußert seine Wünsche und Meinungen klar und gerade heraus. Da können wir als Jugendpflege, Streetwork aber auch als Bürgerinnen und Bürger und Politikerinnen und Politiker genau hinhören. Das kann sich sehr oft auszahlen und lohnt sich fast immer.

herrsching.online: Ist die Graffiti-Wand an der BoFrosthalle nur eine tolerierte Spielwiese für die Jugend oder ein Zeichen für das verständnisvolle Nebeneinander der Generationen?

Kreilkamp: Wir sehen darin in erster Linie ein Angebot der gemeindlichen Jugendarbeit, welches einstimmig vom Gemeinderat befürwortet wurde und sich im Prinzip an alle Herrschingerinnen und Herrschinger wendet. Klar wird hier auch Raum gegeben zum kreativen Austoben, das soll ja auch so sein. Manche Vorbeigehenden kommentieren schon mal abfällig. Viele bleiben aber auch stehen, betrachten die Bilder oder machen Fotos von sich davor. Wie sich das Projekt auf Dauer etablieren wird, muss sich noch zeigen. Im besten Fall nutzen Menschen aus mehreren Generationen die Wand, kommen zusammen und werden kreativ.

herrsching.online: Welche Erfahrungen habt Ihr mit der Graffiti-Wand gemacht? Gab’s mal Stress? Hilft die Wand gegen das wilde Sprayen?

Streetworker Jan Pleines

Kreilkamp: Bisher haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Wand ist seit Ende März zum Bemalen freigegeben. Seither wird die Wand regelmäßig und intensiv genutzt. Ich glaube, dass die Nutzerinnen und Nutzer aus eigenem Antrieb größtenteils pfleglich mit dem Freiraum umgehen, weil sie ihn nicht wieder verlieren wollen. Klar bleibt hier und da mal ein Schnipsel liegen oder etwas Farbe landet auf dem Boden, das hält sich aber in Grenzen. Ob die Wand gegen wildes Sprayen hilft, können wir noch nicht beurteilen. Dass das illegale Sprühen gänzlich verschwinden wird, haben wir von Anfang an klar verneint, das wird es immer geben.

herrsching.online: Was wünscht Ihr Euch als Jugend-Profis von der Herrschinger Politik beziehungsweise von der Bevölkerung?

Kreilkamp: Pauschal: Toleranz und Akzeptanz, Begegnung auf Augenhöhe, ein offenes Ohr für und einen differenzierten Blick auf junge Menschen und ihre Lebenswelten.

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