Bekommt Herrsching jetzt öfter nasse Füsse?

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Ab Pegel 534,88 wird’s kritisch. Klimaforscher und Meteorologen sagen voraus: Auch Herrsching wird künftig immer häufiger nasse Füsse bekommen. So wie im Jahr 1999, als die ganze Promenade samt Sportplatz unter Wasser stand. Eine Braut kam damals per Boot zum Kurparkschlösschen, um zu heiraten. Das Standesamt sah aus wie ein Palazzo am Canale Grande – 122 Zentimeter über Normal stand das Ammerseewasser. Alle 10 Jahre könnte diese Seevergrößerung passieren. Das Landesumweltministerium hat nun der Gemeinde angeboten, 75 Prozent der Kosten für die Planung von Hochwasser-Gegenmaßnahmen zu übernehmen. herrsching.online hat einen Mann gefragt, der sich mit Feuer und Wasser auskennt: Feuerwehrkommandant Daniel Pleyer sagt, dass die Feuerwehr gut vorbereitet sei. Aber auch er sieht kritisch, dass immer mehr Flächen verdichtet und bebaut werden.

Für die Herrschinger Archivarin Dr. Friederike Hellerer, ausgestattet mit dem längsten Gedächtnis der Seegemeinde, ist Hochwasser nichts Ungewöhnliches: „Das Hochwasser ist in Herrsching alle 10 Jahre an der Kippe.“ Die Historikerin besitzt einen ganzen Kasten mit Bildern, auf denen Land unter dokumentiert ist.

Schuldig an den Hochwassern ist nicht nur der See, sondern auch die Geologie: „In unseren Voralpen-Moränen gibt es wasserundurchlässige Tonschichten, die dem Sickerwasser den weiteren Weg ins Erdreich versperren“, erklärt die Archivarin Dr. Hellerer. „Deshalb schießt bei Starkregen das Wasser in Erling förmlich aus den Hängen.“ Es ist, als schwitze das Erdreich die Wassermassen aus. Dieses Sickerwasser schießt dann in den Kienbach, der sich vom Rinnsal in einen reißenden Bach verwandelt. Friederike Hellerer hat in ihrem Archiv Urkunden aufbewahrt, die von einem unvergesslichen 1. Juli 1885 berichten: An jenem Tag stieg das Wasser in dem sonst so friedlichen Bächlein auf 5 Meter an und räumte alles ab, was sich ihm in den Weg stellte.

Damals allerdings, so weiß Friederike Hellerer von einer Karte aus dem Jahre 1809, war das Bächlein noch nicht domestiziert – es durfte in großen Schleifen durch das Örtchen mäandern. Die Gemeinde Herrsching bestand aus ein paar Dutzend Bauernhöfen, die auf ihren Feldern genug Auslauf für den überquellenden Bach boten. Als zu Beginn des 20. Jahrunderts eine Bahnverbindung nach Herrsching gebaut wurde, musste das natürliche Bachbett dem Fortschritt weichen – es wurde begradigt und südlich des neuen Bahnhofs Richtung See geleitet.

In den letzten 60 Jahren kennt das Herrschinger Archiv zwei große Hochwasser-Ereignisse: 1965 machte sich der Ammersee so breit, dass alle ufernahen Wege, Straßen und Geschäfte unter Wasser standen. „Solche Ereignisse passieren meist um Pfingsten herum“, weiß Friederike Hellerer. Im Mai oder Anfang Juni trägt die Schneeschmelze in den Bergen große Wassermassen über die Ammer in den See. Wenn wir dann noch strammen Westwind haben, werden die Wassermassen ans Ostufer gedrückt, und der Kienbach, Fischbach und Fendlbach“, weiß Dr. Hellerer. „Bei solchen Wetterlagen kann sich sogar die Fließrichtung des Fischbaus, der vom Pilsensee zum Ammersee fließt, ändern. Dann fließt das Wasser in den Pilsensee.“

Dieses Ereignis ist im gemeindlichen Gedächtnis „prähistorisch“, vielen älteren Einwohnern Herrschings aber ist das Hochwasser am 23. Mai 1999 noch in Erinnerung. Aus dem Sportplatz an der Madeleine-Ruoff-Straße ragen nur noch die Tore heraus – man könnte meinen, hier werde Wasserball gespielt. In der Summerstraße waren alle Keller vollgelaufen, aus den Steckdosen schoss das Wasser heraus. Der Seehof war ein Hof mit See, in den Geschäften schwamm die Ware herum.

2005 bekamen die Einwohner von Lower Breitbrunn nasse Füße. Der Weg zum Königsberg hatte sich einen reißenden Bach verwandelt, das Wasser schoß die Wörthsee- und Hauptstraße runter und richtete im Autohaus Wagner reichlich Schaden an.

2016 geriet der Fendlbach, der irgendwo in Rausch entspringt, außer Rand und Band, Lochschwabs Keller verwandelten sich in Aquarien. Friederike Hellerer sah mit eigenen Augen, wie in Rausch das Wasser förmlich aus dem Acker schoss, als habe jemand einen Springbrunnen angestellt. „In Breitbrunn und Wartaweil hatte es nur getröpfelt, über Rausch und Lochschwab hatten sich die Himmelsschleusen geöffnet“, erzählt Hellerer. Diese lokalen Starkwetter-Lagen weisen auf den Klimawandel hin. Friederike Hellerer: „Der kommt nicht, der ist schon da“, sagt sie. Und die arme Feuerwehr das alles ausbaden. „Ihre“ Feuerwehr, denn sie ist Untermieterin im schönen neuen Feuerwehrhaus. Im Keller sitzt Herrschings historisches Gedächtnis.

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