Wigald wirbt für Wasserspaß

4 mins read

Der Zeitpunkt war ungewöhnlich, der Anlass nicht: Mitten im Januarfrost hat die Tourismus- und Wirtschaftsförderung (gwt) eine Kampagne fürs Kinderschwimmen eröffnet. Im Groundlift Studio Stegen stellte die Gesellschaft einen Videoclip mit dem Titel „Mit Sicherheit mehr Spaß am See – Wassergewöhnung für Kleinkinder“ vor. Die Hauptrolle in dem dreiminütigen Film spielt der Dauerbader Wigald Boning, dem sein Outdoor-Badezimmer „ein großer Spaß ist“. Für viele Kleinkinder sei die Sache aber eher kritisch, weil Ängste sie daran hinderten, „die Welt des Wassers mit Genuss zu erleben“. Damit sich Kinder ans feuchte Element gewöhnen können, hat die „Stiftung Deutschland schwimmt“ zusammen mit der gwt ein gedrucktes Tutorial herausgegeben. Das erste Übungsbecken, so lernen Eltern, ist die Badewanne.

Großer Bahnhof für einen Clip: Die gwt hatte das Werbevideo fürs Kinderschwimmen mit der Unterstützung von Sponsoren produziert (rechts die Geschäftsführer Christoph Winkelkötter, hinter ihm Werner Schmid, links Isabell Bauch). Die Managerin Sabine Kurz (rechts) von der „Stiftung Deutschland schwimmt“ und ganz links der kleine Ruben, der im Clip mitspielen durfte.

20 Prozent der Grundschüler können nicht schwimmen, verkündet der Film. Kein Wunder – 60 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen hätten Angst vor dem Wasser. Sabine Kurz von der „Stiftung Deutschland schwimmt“ beklagte in ihrem Referat, dass die Kinder von ihren Eltern systematisch Wasser-entwöhnt würden: Unter der Dusche werde ihnen sogar eine Haube übergestülpt, damit kein Wasser in die Auge komme.

Selbst das berühmte „Seepferdchen“-Abzeichen sei noch kein Nachweis für sicheres Schwimmen, sagte Sabine Kurz. Die deutsche Prüfungsordnung für Schwimmabzeichen bestätigt:
„Die Kriterien des Seepferdchens erfüllen die Anforderungen an ein sicheres Schwimmen nicht„. Das Seepferdchen werde eher als Motivationsschub auf dem Weg zum sicheren Schwimmer angesehen.

Schwimmen, so die Fachleute bei der Groundlift-Präsentation, lernen Kinder nur durch die Gewöhnung ans Wasser. Es gibt zwar über 6000 Frei- und Hallenbäder in Deutschland und 2100 andere Badestellen. Aber es fehlen mehr als 900 Bademeister. Deshalb gehe man inzwischen neue Wege und bilde Erzieherinnen als Schwimm-Assistentinnen aus. Sie sollen die Lücken füllen, die Schwimm- und Bademeister inzwischen nicht mehr ausfüllen.

Dauer- und Kaltschwimmer Wigald Boning taucht in dem Video-Clip im wahrsten Sinn des Wortes auf.

„Aber die deutschen Schwimmbäder befinden sich in einer Multi-Krise“, meldet das Handelsblatt. Jährlich würden 70 bis 80 Schwimmbäder in Deutschland schließen, glaubt die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Die DLRG-Präsidentin Ute Vogt alarmiert: Für den Schwimmunterricht müssten Schulen und Vereine immer weiter fahren: „Mehr Nutzer buhlen um Zeiten für die zur Ausbildung geeigneten Wasserflächen“. Und die Stiftungsmanagerin Sabine Kurz ergänzte in Stegen: „Die Schwimmkurse sind alle ausgebucht.“

Bleiben für die Herrschinger Kinder also nur zwei Optionen: Die heimische Badewanne für die frühkindliche Anfreundung mit dem feuchten Element, und die seichten Badeplätze am Ammersee.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Aktuellste Meldungen

Wann hört das nie auf?

Die Leserkommentare zum Dauerstreit über die NS-belasteten Straßennamen bringen viele kluge Argumente, sind voller Empörung, enthalten