Asylhelfer, Runder Tisch, Parteienvertreter und Bürger wischen den Vorschlag eines neuen Arbeitskreises „Miteinander leben in Herrsching“ vom Ratstisch/Das Thema „Arbeitskreise und ihre Kompetenzen“ wird wahrscheinlich noch einmal im Gemeinderat diskutiert//
Diese Gründung ging gründlich schief: Der Herrschinger Gemeinderat wollte ein großes, ausladendes Dach über alle Herrschinger Institutionen bauen und steht nun vor den Trümmern seiner Fehlkonstruktion. In der Gründungsversammlung im Rathaus brauste ein Sturm der Entrüstung über Bürgermeister und die beiden Gemeinderätinnen Christiane Gruber und Hannelore Doch hinweg. Dr. Traugott Schöfthaler bezeichnete den geplanten Super-Arbeitskreis „Miteinander leben in Herrsching“ als „bürokratisches Monster“. Und der Sprecher des Helferkreises für Asyl, Franz Bissinger, drohte: „Wir wollen selbstständig bleiben, und wir werden es auch.“ Christiane Gruber rang sich schließlich zu einem „Mea culpa“ (Meine Schuld) durch. Und Bürgermeister Schiller will nun mit den Gemeinderatsfraktionen reden, ob man den Beschluss nicht noch einmal aufschnüren könne. Die Diskussion war streckenweise so hitzig, dass Schiller dazwischen grätschte: „Wir überlegen uns jetzt noch einmal die Wortwahl.“
Die Geburt des überwölbenden Arbeitskreises „Miteinander leben in Herrsching“ stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Schon der Name klingt so wolkig wie die Aufforderung: „Lasst uns alle Freunde sein.“ Der Gemeinderat hatte die Idee eines Bündel-Gremiums in einer nichtöffentlichen Sitzung verhandelt. Dagegen wehrte sich die Bürgerinitiative Pro Natur mit einer Beschwerde bei der Kommunalaufsicht im Landratsamt. Dort beschied man die Gemeindeverwaltung diskret, den Beschluss noch einmal in einer öffentlichen Sitzung zu wiederholen, um den Formfehler zu heilen.
„Bürgerinitiativen sind keine Arbeitskreise“
Möglicher Hintergrund der geheimen Beratungen: Der Gemeinderat will die Arbeitskreise unter seiner Kontrolle behalten. In dem Beschluss heißt es: „Der Gemeinderat stellt fest, dass neue Arbeitskreise der Lokalen Agenda 21 nur durch ihn ins Leben gerufen werden können, da alleine er als gewähltes Gremium dafür politisch legitimiert ist. Deshalb sind Bürgerinitiativen, die sich in den vergangenen Jahren selbst als Arbeitskreise… proklamiert haben, keine Aks der Lokalen Agenda 21, auch wenn die Gemeinde sie bisher als solche angenommen und behandelt haben mag.“
Warum Verwaltung und Rat so misstrauisch auf Arbeitskreise schauen, die nicht aus eigener Züchtung stammen, liegt an der „Politisierung“ der Umwelt-Aktivisten. Hier wurde ausdrücklich die Bürgerinitiative Pro Natur erwähnt. Deshalb „begrüßt der Gemeinderat, dass sich… auch das Integrationsteam Herrsching, der Helferkreis Asyl, Inklusions-, Senioren-, Jugendbeirat und Herrschinger Insel in die Gründung eines neuen Arbeitskreises einbringen. Dieser sollte sich dann AK „Miteinander leben in Herrsching“ nennen.“
Von den 22 anwesenden Vertretern des Runden Tisches, der Beiräte, der Parteien und des Helferkreises sprach sich die Hälfte – diplomatisch formuliert oder teilweise aggressiv – gegen die Gemeindepläne aus. Die Idee eines „Sammelbeckens für alle Vereine und Institutionen“, das Synergieeffekte bringe, überzeugte offenkundig wenige am ovalen Rathaustisch.
„Wir Helfer investieren privates Geld in unsere Aktivitäten“
Auch das Geld, das die Gemeinde unter den Arbeitskreisen verteilt, hatte keine Wirkkraft: 5 000 Euro pro Jahr für alle Projekte rufen unter den vielen Ehrenamtlern ein müdes Lächeln hervor. Alexandra Baur vom Helferkreis dazu: „Wir Helfer investieren privates Geld in unsere Aktivitäten.“ Dr. Schöfthaler wollte wissen, warum man verschiedene Ziele (Integration und Inklusion) in einem Arbeitskreis bündeln wolle. Das sei eine Überbürokratisierung, ja ein bürokratisches Monster: „So kann ich mir keine erfolgreiche Arbeit vorstellen.“ Er stellte dann den formalen Antrag, für beide Ziele einen eigenen Arbeitskreis zu schaffen. Schiller verteidigte den Gemeinderat („Der Beschluss besteht nun mal so“) und versprach, dass der neue Arbeitskreis eine integrative Wirkung habe.
Der Inklusionsbeauftragte Johannes Wannemacher brachte die Diskussion auf einen griffigen Reim: „Wenn ich nichts mehr weiß, dann mach ich einen Arbeitskreis.“ Er monierte, dass es zwar für die von der Gemeinde eingesetzten Beiräte Satzungen gebe, aber nicht für die Arbeitskreise. Außerdem monierte er, dass keine Jugendlichen am Tisch sitzen. Auch Wolfgang Aigner, Asylhelfer und Pro-Natur-Mitglied, hält nichts davon, dass verschiedene Themen wie Mobilität und Natur vermengt werden. Der Asylhelferkreis lasse sich außerdem ungern vorschreiben, was er zu tun und zu lassen habe. Auch Ingeborg Donhauser (Helferin und SPD-Vorständin) fragte, wieviele Treffen denn noch zu all den anderen Sitzungen dazukommen.
Gemeinderätin Gruber, sichtlich verstört durch den heftigen Gegenwind, räumte ein, dass man wohl „zuviel gewollt hat“. Wenn der Gemeinderat das Signal bekomme, dass die Arbeits- und Helferkreise das so nicht wollten, werde man die Kritik annehmen.
Der Sprecher des Helferkreises, Franz Bissinger, bekräftigte die Kritik an dem Großkreis „Miteinander leben“ und rief in den Saal: „Das ist alles nicht mehr zu leisten. Deshalb wollen wir selbstständig bleiben, und wir werden es auch.“
Christine Voit vom Helferkreis bezeichnete das geplante Mega-Gremium ironisch als „Wohlfühlkreis“ und beklagte, dass die Ehrenamtler so wenig in die Diskussion des Gemeinderates eingebunden waren. „Sehen Sie es ein, Ihr Kreis ist nicht machbar.“
Alexandra Bauer gab einen Einblick in die Arbeit des Helferkreises: „Wir waren mal 200 Helfer. Und wenn wir uns jetzt so vernetzen, wie es die Gemeinde will, kostet das zuviel Zeit.“ Folge: Noch weniger Helferinnen und Helfer. Das Geld der Gemeinde interessiere den Helferkreis nicht. „Wir wollen, dass unsere Arbeit anerkannt wird.“ Bürgermeister Schiller versprach nach der massiven Kritik aus der Runde, dass er mit den Fraktionen sprechen werde, ob das Thema noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt werden könne. Da rief Alexandra Bauer dazwischen: „Aber bitte bei der Wahrheit bleiben.“ Darauf war kurzzeitig Stille im Saal, bis Schiller antwortete: „Wir überlegen uns jetzt noch einmal die Wortwahl.“
Auch der SPD-Ortsvorsitzende Werner Odemer hält offenkundig nichts von dem neuen Arbeitskreis: „Eine Klammer über verschiedene Themen zu machen, bringt nichts.“ Die verschiedenen Gruppierungen sollten weiter arbeiten wie bisher, sagte der ehemalige Dritte Bürgermeister.
Die Gründungsversammlung, längst eine Grummelversammlung, fand am Schluss dann doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung, nachdem Christiane Gruber noch einmal eingeräumt hatte: „Der Gemeinderat hat nicht praktisch genug gedacht.“ Das Thema wird höchstwahrscheinlich noch einmal auf der Tagesordnung einer öffentlichen Gemeinderatssitzung auftauchen.
Bürgermeister Schiller hat zwar am Dienstagabend immer wieder davon gesprochen, wie wertvoll die Arbeit des Asylhelferkreises sei. Die vom Gemeinderat beschlossene Zusammenlegung der Arbeitskreise wird von den Helfern aber als das Gegenteil wahrgenommen. Wertschätzung ist doch, wenn man die Betroffenen selbst entscheiden lässt, wie sie ihre Arbeit organisieren. Und dass diese von Anfang an gegen die Zusammenlegung waren, war jedem bekannt. Ich hatte übrigens in der Sitzung nicht den Eindruck, dass sich nur die Hälfte der Teilnehmer*innen gegen die Gemeindepläne aussprach. Wenn Herr Schiller der zweimaligen Aufforderung von Traugott Schöffthaler nachgekommen wäre, die Meinung der ganzen Runde per Handzeichen abzufragen, hätten sich meines Erachtens fast alle für die Beibehaltung der bisherigen Arbeitskreise als Teile der Agenda 21 ausgesprochen.
Wenn Herrschings Politik von der Bürgerschaft übernommen werden muss …
Die gegenwärtige Entwicklung in Herrsching nimmt Besorgnis erregende Formen an. Es ist offensichtlich, dass der derzeitige Bürgermeister Schiller den zunehmenden Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr gewachsen ist. Einmal angetreten, als „Bürgermeister für Alle“, scheint er den Kontakt zu den tatsächlichen Anliegen unserer Gemeinde verloren zu haben.
Immer mehr Bürgerinnen und Bürger krempeln ihre Ärmel hoch und engagieren sich in Arbeitskreisen, um Aufgaben zu übernehmen, die in der Gemeinde Herrsching vernachlässigt werden: Bezahlbarer Wohnraum, Asylpolitik, Energie- und Wärmeplanung, Klimaanpassungsmaßnahmen, Ortsgestaltung sowie Baumschutz sind einige der Themen, die von der Bürgerschaft vorangetrieben werden, während die Gemeindeverwaltung hinterherhinkt. Auch die grassierende Drogenkriminalität ist ein Problemfeld, das dringend angegangen werden muss.
Anstatt Bürgerbeteiligung zu fördern, sollen die ,„politisch motivierten Bestrebungen aus Arbeitskreisen“, so der Bürgermeister, „unterbunden werden“. Er nennt es gar „politischen Missbrauch“, wenn sich Menschen um die Unterbringung von Asylbewerbern kümmern oder sich für innerörtliche Blühwiesen einsetzen, wie die Mitglieder des Helferkreises Asyl und ProNatur Herrsching.
Die Tradition, sich im Rahmen seiner gesellschaftlichen Verantwortung ehrenamtlich für das Gemeinwohl einzusetzen, kennt Bürgermeister Schiller offenbar nicht. Für ihn gelten andere Werte. Ist es nicht längst an der Zeit, dass er sich einmal selbst hinterfragt und überlegt, ob er noch die Führung und Vision für unsere Gemeinde bieten kann, die wir dringend benötigen? Politik erfordert Handeln und Engagement, aber auch die Fähigkeit, sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen.
Es bleibt zu hoffen, dass unser Bürgermeister die notwendigen Konsequenzen zieht, damit Herrsching wieder auf auf einen erfolgreichen und zukunftsweisenden Weg findet.
Zutreffender und zugleich zurückhaltender kann man die undemokratischen Aktivitäten von Herrn Schiller, die inzwischen in einem sehr breiten Spektrum zu beklagen sind, nicht beschreiben. In diesem Zusammenhang müssen allerdings auch Mitglieder des Gemeinderates, vornehmlich aus den Fraktionen von CSU und SPD, erwähnt werden. Entweder fehlt in diesen Reihen der Mut, dem Herrn Bürgermeister auch einmal zu widersprechen, oder aber die Fraktionen haben, aus welchen Gründen auch immer, das Bürgerwohl aus den Augen verloren und ziehen deshalb mit Herrn Schiller auffällig an einem Strang.
Ich empfehle dem Bürgermeister und einigen Gemeinderäten Nachhilfestunden in Demokratie. Und bei den in den Medien zitierten Äußerungen von Herrn Schiller (politisch motivierte Bestrebungen bei den jüngeren Arbeitskreisen unterbinden/politischer Missbrauch der Agenda-Arbeit in jüngster Vergangenheit) fällt mir spontan das Wort Kontrollverlust ein.
„…die Politisierung der Umweltaktivisten…trägt zur Politisierung“ in der Gemeinde bei. Das ist doch ein dickes Lob für Herrsching und seinen hauptberuflichen Politiker Bgm. Schiller. Wir leben doch in einem demokratischen Staat, dessen Bürger sich über Bürgerinitiativen freuen, vor allem wenn es um die Umwelt und damit unsere Gesundheit geht. Wo sieht der Gemeinderat und die Verwaltung da ein Problem, das den Ausschluss in der Agenda rechtfertigt
So schrecklich entrüstet empfand ich unsere Beiträge gar nicht. Sondern erlebte eine zugewandte Haltung von unserem 1.Bürgermeister, Christian Schiller, Tinsi Gruber und Hannelore Doch, wie auch von uns Bürger*innen. Und auch die Beiträge aus unseren Reihen fand ich überwiegend sachlich, informativ und zielführend.
Der „Monsterarbeitskreis:
Miteinander in Herrsching leben“ ist ja nun wohl vom Tisch, da uneffektive und zusätzliche Arbeit keinen Sinn macht.
Das Anliegen des Asylhelferkreises, weiterhin als Agenda 21 Arbeitskreis anerkannt zu bleiben und nicht als ungeliebtes Kind ausgesperrt zu werden, wird jedoch weiter verfolgt.
Ich kenne das Problem der Zusammenlegung aus meiner Zeit als ehrenamtliche Vorsitzende des Breitbrunner Gartenbauvereines. Immer wieder wurde von einigen Mitbürgern auf die Zusammenlegung des Herrschinger mit dem Breitbrunner Verein verwiesen. Die Mitglieder lehnten dies ab, weil die kleineren Einheiten effektiver funktionieren und ein klareres Image haben. Ich bin sehr froh, dass es nicht zu einer Fusionierung kam.
So viele verschiedene Initiativen unter einen Hut zu bringen, unter dem schön klingenden, aber doch recht wolkigen Begriff „Miteinander leben“ – das konnte eigentlich nur schief gehen.