• Grau, grausam, gräßlich: Schotter ums Haus ist in mehreren Städten verboten worden. Wenn kein Vlies unter den Steinen liegt, kann immerhin das Regenwasser versickern
  • Schotter macht auch Arbeit, wenn man das zarte Grün zwischen den Kieselsteinen vernichten will
  • Das ist die schlimmste aller Gartensünden: großflächig gepflasterte Höfe. Wahrscheinlich verstoßen solche Plattensiedlungen auch gegen die gemeindeeigene Satzung: Auf versiegelten Flächen kann das Regenwasser nicht versickern und läuft in die Kanalisation. Folge: Es fehlt dem Grundwasser und erhöht bei Starkregen die Überschwemmungsgefahr. Dass hier zudem Natur nicht stattfindet, muss nicht erwähnt werden

Gärten des Grauens

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Steinreich, artenarm: Schottergärten gelten als ökologische Wüsten. Sie sind inzwischen derart in Verruf geraten, dass Gemeinderat Wolfgang Schneider für Herrsching ein Verbot der Kieselbrachen forderte. Seit 2021 erlaube die Bayerische Bauordnung, diese Grünverdränger zu verhindern. In Hamburg, Erlangen, Paderborn und einigen Städten Baden-Württembergs sind die Steinflächen inzwischen amtlich verboten. herrsching.online hat einen Landschaftsingenieur befragt, was denn so schlimm ist an den Kieselwiesen: Konrad Herz stellt fest: Schottergarten ist ein Widerspruch in sich, denn mit einem Garten hat das nichts zu tun.

Landschaftsingenieur Konrad Herz

herrsching.online: Was ist so schlimm an einem Schottergarten?

Herz: Mit „Garten“ verbinden wir doch im Allgemeinen eine Grünfläche oder -anlage. Deswegen ist ein „Garten“-Bild in Verbindung mit reinen Schotterflächen eher ein Paradoxon. Alle sichtbaren Oberflächen sind mit Kies, Recyling-Schotter oder Ähnlichem zugeschüttet. Diese Gärten haben nur ein Gutes: Sie sind nicht versiegelt, die Oberfläche ist wasserdurchlässig. Wenn wir über Schwammstädte reden, dann sind solche durchlässigen Schotterflächen für die Versickerung von Regenwasser besser, als alle Flächen, die zum Beispiel mit Pflastersteinen versiegelt sind. Mikroklimatisch, faunistisch und floristisch sind solche Gärten eine Desaster.

Dass Wildbienenarten in kleinteiligen Habitaten aus Stein- bzw. Schotterschüttungen leben, hat nichts mit den Schottereinöden zu tun, von denen wir hier sprechen.

herrsching.online: Warum schütten Gartenbesitzer ihr kostbares kleines Paradies mit Steinen zu und bekämpfen dann vielleicht noch das durchdringende Unkraut mit Glyphosat?

Herz: Naja, Glyphosat gibt’s für den Garten noch jenseits der holländischen Grenze. Aber im Ernst: Besitzer von Schottergärten erhoffen sich vielleicht, dass sie viel weniger Arbeit mit diesen Flächen haben. Trifft allerdings nur zum bedingt zu. Sie müssen sich zunächst nicht in die Flächen knien und Wildkräuter zupfen. Besonders schlimm wird es, wenn Schottergartenbesitzer unter dem Kies vollflächig Unkrautfolien legen, durch die kein Kraut mehr durchkommen soll.  Sonst könnte man sich darüber freuen oder wahlweise ärgern, wenn sich durch den Schotter noch Moos, Distel oder Löwenzahn kämpfen. Aber Wildkräuter sind sicherlich nicht gewollt. Durch Laubfall und Sedimente stellt sich im Laufe der Zeit aber sukzessive in den Fugen das eine oder andere Wildkraut ein. Dann geht’s doch an die notwendige Pflege, damit der Schotter „sauber“ bleibt.

herrsching.online: Sind Schottergärten noch im Trend, oder setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass sie ökologische Holzwege sind?

Herz: Ich arbeite im Wesentlichen für gewerbliche oder kommunale Auftraggeber, nicht für Privatleute, deshalb habe ich dazu wenig Einblick. Aber die Gärten fallen inzwischen doch deutlich auf. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass in einer alternden Gesellschaft die Bereitschaft sinkt, viel Arbeit in Gärten zu stecken. Ich kann kaum glauben, dass dahinter eine ästhetische Geschmacksrichtung steckt; eher das Bemühen, möglichst wenig Arbeit mit seinem Garten zu haben.

herrsching.online: Aber solche Schotterflächen sind ja eigentlich dysfunktional. Man kann nicht drauf gehen, man kann nicht drauf liegen, man kann auch nicht Fußball spielen darauf. Ist das nicht eine Totfläche?

Herz: Die Fläche hat tatsächlich einen überschaubaren Wert, außer dem Grundstückswert. Käfer oder Echsen werden sich mal darin verirren, aber die Fläche ist ökologisch wertlos. Wichtig ist, dass das nicht mit Habitaten verwechselt wird, die zum Beispiel in Magerrasenflächen mit Sand und Kieslinsen, Totholzhaufen und so weiter angelegt werden und damit wertvolle Cluster, also Gruppierungen, bilden.

herrsching.online: Immerhin ist, wie oben schon erwähnt, der Boden nicht versiegelt.

Herz: Ja. Bei der derzeit anhaltenden Hitze und überdurchschnittlichen Trockenheit sieht man zum Beispiel auffällig auf dem Sportplatz der Finanzschule, was das Ableiten von Regenwasser auslöst. Die Drainagerohre, eigentlich zur Entwässerung des Platzes, haben ein Raster und geradlinige Streifen der Trockenheit hinterlassen. Überall wo die Drainagestränge liegen, sieht man keine grünen Halme mehr, nur vertrocknete Gräser. Bei einer Versiegelung gelangt das Wasser überhaupt nicht in den Boden.

In Herrschings Stellplatzsatzung ist zum Beispiel seit 2015 geregelt, dass das anfallende Regenwasser gar nicht erst in die Kanalisation laufen darf, sondern auf dem eigenen Grundstück versickert. An vielen Grundstücksgrenzen läuft das Regenwasser allerdings entgegen der gültigen Satzung unkontrolliert direkt in den Rinnstein zum nächsten Straßenablauf und verschwindet – verschwendet – in der Kanalisation.

herrsching.online: Solche Verstöße verschlimmern ja bei Starkregenereignissen die Sturzflutgefahr. Gibt es da Kontrollen oder gar Strafen?

Herz: Ich weiß aus meiner alten Heimat Ruhrgebiet, dass Versickerung nicht mit Zwang erzwungen, sondern belohnt wird. Wenn man auf dem Grundstück „sein“ Regenwasser versickert, wird man von Abwasssergebühren befreit. Das heißt, die nicht angeschlossenen Flächen werden aus der Berechnungsgrundlage für die Abwassergebühren herausgerechnet.

Da wird deutlich über die Hälfte der Abwassergebühren erlassen. So spart der Gartenbesitzer nicht nur Geld, sondern fördert aktiv direkt die Anreicherung örtlichen Grundwassers. Daran ist auch der Wasserversorger AWA interessiert.

herrsching.online: Wie sieht denn ein idealer Garten aus bei der Wasserbewirtschaftung?

Herz: Ich nenne als Beispiel eines No-Go: Hortensien pflanzen bedeutet viel zu viel Wasser zu verbrauchen. Will sagen, dass es Sinn macht, bei der Anlage eines Gartens bei einem Gärtner, einem Gartencenter oder gar bei einem Landschaftsarchitekten Rat zu holen, welche Pflanzen bei welcher Erde und Sonneneinstrahlung heutzutage sinnvoll sind, damit man seinen Garten möglichst wenig oder gar nicht bewässern muss. Ganz generell sich über den Bedarf an Bewässerung Gedanken zu machen, bevor Pflanzen eingekauft werden.

herrsching.online: Zeitschriften und Werbeblätter liefern uns Gärten, die prallvoll und dauergrün aussehen. Muss man nicht auch mal Gelb und Braun im Garten zulassen?

Herz: Unsere herkömmlichen Sehgewohnheiten werden mit diesen Werbungen bedient. Ja, wir müssen uns von dem Gedanken und Bildern verabschieden, dass der Garten immer gleich grün aussieht. Es geht zum Beispiel unter anderem darum, dass wir trockenresistentere Pflanzen verwenden und die Gärten damit neue Sehgewohnheiten und eine veränderte Ästhetik annehmen.

herrsching.online: Die Sehgewohnheiten müssen sich verändern?

Herz: Sie werden sich verändern müssen. Wir tun im Augenblick nichts dafür, dass die Bäume, die wir haben, weiterhin hierher passen und wachsen. Also werden wir unsere Sehgewohnheiten und Baumarten anpassen. Das wird viel schneller gehen, als wir derzeit glauben. Wenn man durch Herrsching fährt und aufmerksam die Baumspitzen – die ja am weitesten von den Wurzeln entfernt sind – anguckt, wird man feststellen, dass viel häufiger als früher vertrocknete Spitzen zu sehen sind.

Zukünftig werden wir feststellen, dass robustere Pflanzenarten aus anderen Klimazonen besser wachsen und aussehen als viele unserer liebgewonnenen Ziergehölze, von denen die wenigsten „heimisch“ sind.

3 Comments

  1. Aber bitte nicht stattdessen noch monströsere Betonkästen genehmigen?! Die so dicht stehen, dass sie nicht einmal mehr Platz für einen Schottergarten übrig lassen? So wie im Seemoosweg in Neuwiddersberg geschehen?
    Vielleicht in Zukunft nicht nur diese Steinwüsten verbieten, sondern auch Begrünungsauflagen machen?
    Mensch,Tier und Klima würden es begrüssen! Wo sind diese Vorgaben aus früheren Zeiten nur geblieben?

  2. Danke lieber Wolfgang! Als dritter Bürgermeister, Gemeinderat der SPD und langjähriges Mitglied im Bauausschuss zählt Deine Stimme hoffentlich geballt mächtig und führt zu schnellen Verbots -Ergebnissen dieser unseligen Schottergärten! Zumindest bei Neubebauungen!

  3. Hoffentlich haben viele Bürger Zeit dieses Interview mit Herrn Hertz zu lesen. Schottergaerten sind keine Gaerten, sondern nur Plätze ohne Pflanzen und erweiterter Straßenbau vor der Haustüre. Ein Vorteil ist die Versickerung, aber im Sommer fördern diese Steinwuesten die Hitze. Eigentlich sollte ein Garten aber für uns Lebewesen das Klima verbessern und gesundheitliche Vorteile bringen. Ich fände es für unsere Gemeinde wirklich gut, da mal etwas für unser aller Wohl zu verbieten. Wenn ich bedenke, wieviel Verbote im Straßenverkehr akzeptiert werden, dann koennten wir doch auch mal etwas für unsere Gesundheit und eine bessere und schönere Umwelt machen. Nur Zweckmäßigkeit ist viel zu wenig in der Gestaltung der Grünflächen.

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