Nur der Adressat hat gefehlt: Gemeinderätinnen, ein Gemeinderat, eine Landtagskandidatin und ein Baumschutz-entschlossenes Publikum haben im Kurparkschlössl die Argumente für eine neue Baumschutzverordnung aufgenommen. Nur den Bürgermeister erreichte die Botschaft nicht – er schickte nicht einmal seine Stellvertreterin. Das Thema wird Verwaltung und Gemeinderat trotzdem einholen: Knapp 200 Bürger haben einen Bürgerantrag unterschrieben, den Entwurf einer neuen Baumschutzverordnung im Gemeinderat zu diskutieren.
Mit einer professionellen Präsentation hat die Bürgerinitiative Pro Natur im Kurparkschlössl das Paragrafenwerk vorgestellt. Erarbeitet haben die elfseitige Schutzverordnung Uli Spindler und Norbert Wittmann. Das Gemeinde-„Gesetz“ soll, so versprach Wittmann in der Versammlung, juristisch wasserdicht sein. Die grüne Fraktion um Anke Rasmussen hat bereits Zustimmung signalisiert. Es könnten schwere Zeiten für die Kettensägen werden.

Die 70 Zuhörerinnen und Zuhörer im Kurparkschlössl (mehr Stühle gab’s nicht) begrüßte Wolfgang Aigner von Pro Natur (die Sprecherin Christl Voit war erkrankt). Als visuelle Einstimmung ins grüne Thema zeigte die Filmmacherin Karin Casaretto den Film „Unser Kienbach“ – Herrschings bedrohtes Bach-Idyll (herrsching.online zeigt diesen Film exklusiv). Den aktuellen Aufhänger dazu lieferte der Schreitbagger, der – so Pro Natur – im Bachbett wütete wie die Axt im Walde.
Mit kriminalistischer Akribie zeigte Norbert Wittmann (kein Wunder: der Mann hat einmal die Abteilung Kriminalitätsbekämpfung bei der Münchner Bundespolizei geleitet) die wundersame Geschichte des Baumschutzes in Herrsching.
• 2018 hatte der Gemeinderat in Herrsching die bestehende Baumschutzverordnung abgeschafft. Grund: 4 Beanstandungen des Landratsamtes, für Wittmann Rügen für handwerkliche Fehler. Die grüne Fraktionssprecherin Anke Rasmussen betonte später in der Diskussion, sie habe gegen die Abschaffung der Baumschutzverordnung gestimmt.

• 2022 hat der Gemeinderat für Baumschutzmaßnahmen gestimmt. Von den 12 Vorschläge seien aber nur 3 angenommen worden, und von denen sei noch keiner umgesetzt worden sei, kritisierte Wittmann. Dann lud der Ex-Kriminaler zu einem Ermittlungsauftrag ein: Von wem könnten folgende Sätze stammen:
• „Wenn man durch Herrsching geht, sieht man viele Bäume, die es ohne eine damals gültige Baumschutzverordnung höchstwahrscheinlich nicht mehr geben würde. Höchste Zeit, dass wieder eine rechtsgültige Satzung erlassen wird.“ (Auflösung: Grüne)
• „Der durchschnittliche CO² Verbrauch eines Herrschingers im Jahr benötigt die Arbeit eines Waldes in der Größe zweier Fußballfelder, um dieses CO² wieder in Sauerstoff umzuwandeln. Wir setzen uns dafür ein, dass für jeden Baum, der gefällt wird, ein neuer heimischer Baum gepflanzt wird.“ (Auflösung: Bürgergemeinschaft Herrsching)
• „Ich will nicht, dass durch Bäume das Bauen verhindert wird. Ich will, dass der Herrschinger in Herrsching bleiben kann.“ (Auflösung: CSU)
Dann setzte sich Wittmann mit dem Für und Wider einer Verordnung auseinander.
Einwände gegen eine Verordnung:
• Eingriff in die Eigentums- / Bürgerrechte
• Schon wieder eine Vorschrift
• Erhöhter Personalaufwand bei der Verwaltung
• Dann werden die Bäume nicht mehr alt
• Erhöhter Kostenaufwand durch Klagen vor Verwaltungsgerichten
Argumente für eine Verordnung
• Die Herausforderung Klimawandel verlangt Mittel, die deutlich über die Pflichtaufgaben einer Stadt hinausgehen.
• In Gebieten ohne Bebauungspläne ist eine Baumschutzverordnung das einzig mögliche Instrument, ein nachhaltig gutes Stadtklima zu erhalten und zu verbessern.
• Sicherung der ökologischen Qualität und der Biodiversität im Gemeindebereich.
Uli Spindler verwies in ihrem Plädoyer für eine Verordnung auf die Segnungen der grünen Sauerstoff-Spender: Ein Laubbaum erzeuge Luft für 20 Personen und binde bis zu 100 Kilo Feinstaub im Jahr. Sie setzte sich auch mit den Ersatzpflanzungen auseinander, die eine neue Verordnung fordert: Bis ein Baum seine klimatische Funktion voll erfüllen könne, brauche er Jahrzehnte. „Nachpflanzungen kommen erst unseren Enkeln zugute. “
In der von Christine Hollacher moderierten Diskussion brachte eine Herrschinger Bürgerin einen berührenden, sehr persönlichen Beitrag ein: Sie sei vor vielen Jahren zu einer Ersatzpflanzung verpflichtet worden, jetzt erfreue sich die ganze Familie an den nachgewachsenen Bäume. Ohne (die damals bestehende )Baumschutzverordnung hätte es diese Bäume gar nicht gegeben.
Ein vehementes Votum für die vorgelegte Baumschutzverordnung kam von der zweiten Vorsitzenden der Herrschinger Grünen, Rita Mulert: „Das sind keine grünen Spinner, die dieses Papier erarbeitet haben. Diese Verordnung ist hieb- und stichfest, soviel Mühe macht sich nicht einmal die Gemeindeverwaltung.“ Und an die Gemeinderäte gewandt sagte sie: „Die Zeiten haben sich geändert“, eine Mehrheit im Gemeinderat sei möglich.
Wie wäre es, wenn sich unser 1.Bürgermeister Christian Schiller, gemeinsam mit seinen Gemeinderätinnen und Räten in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen diesen großartigen kurzen Film ansehen würden? Ich könnte mir vorstellen, dass dadurch die Empathie für Natur- und Baumschutz einen riesigen Wachstumssprung machen würde!!
Ich bin sehr überrascht. Das war ein toller Abend in Sachen Natur und Umwelt. Und – ein sehr gelungener „Heimatsachfilm“ über den Kienbach. Gerne würde ich diesen Film auch bei einer Versammlung des Gartenbauvereines in Breitbrunn anbieten. Oder „pro natur“ zeigt den Film auch mal bei uns im Breitbrunner Bürgersaal. Sicher koennte man so auch noch einige Breitbrunner für das Thema Bachsanierung, Hochwasser und Baumschutz sensibilisieren.