Manchmal sind auch Bürgermeister machtlos, wenn eine überbürokratisierte Vorschrift unüberwindlich ist. Die Bürgerversammlung am Donnerstagabend um 19 Uhr kann nicht in der geplanten dualen Version mit Online-Teilhabe und Bürger-Dialog in der Sitzungshalle stattfinden.
Bürgermeister Christian Schiller teilte am Mittwoch per Presse-Info mit, dass „bei der Videoübertragung aus der Martinshalle einige unerwartete Vorgaben beachtet werden müssen. So erhielt die Gemeindeverwaltung am Dienstag vom Datenschutzbeauftragten den Hinweis, dass auf keinen Fall Ton oder Bild von Besucherinnen und Besuchern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung übertragen werden dürfen. Auch dürfen bei dem Livestream Name der oder des Fragestellers/-in nicht in der Kombination mit der gestellten Frage genannt werden. Der Beauftragte bezieht sich dabei auch auf Aussagen vom zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten der Aufsichtsbehörde.“
Das bedeutet, dass die Fragesteller in der Martinshalle erst nach dem Ende der Live-Übertragung selbst ans Mikrofon treten können. Was diese Bürger, die physisch anwesend sind, dann Bürgermeister und Verwaltung fragen, können die Bürger Herrschings also nur aus der Zeitung oder durch die Berichte in herrsching.online erfahren.
Keine Aussage gibt es in der Pressemitteilung darüber, ob die Online-Teilnehmer ihre Fragen per Dialog-Tool stellen können. Sollte dies auch nicht möglich sein, wäre dies eine Einschränkung demokratischer Rechte auf dem Opfertisch eines überzüchteten Datenschutzes.
Bürgermeister Schiller zeigt sich in der Mitteilung sehr enttäuscht über die Aussagen des Datenschutzbeauftragten. „Für alle Online-Gäste wäre der Blick ins Auditorium oder der Originalton der Fragesteller sicher eine willkommene Abwechslung beim Zuschauen und würde die Stimmung vor Ort besser wiedergeben.“, schrieb Schiller.
Einlass in die Martinshalle bekommen nur die Herrschinger Bürger, die sich vorher angemeldet hatten und die 2G-Regel erfüllen.
Es liegt doch nahe, dass man sich als Bürgermeister im Vorfeld einer solchen Veranstaltung (die der Gemeinde schließlich 10000 Euro kostet) beim Datenschutzbeauftragten der Gemeinde rechtzeitig erkundigt, ob der geplante Livestream datenschutzrechtlich wasserfest ist. So wie es jetzt durchgezogen wird, entsteht notgedrungen ein Informationsungleichgewicht mit einem Bürgermeister, der in seinem Vortrag sowohl online als auch offline zu vernehmen ist, mit Bürger*innen, die persönlich anwesend, nur offline Fragen stellen können, und mit fuer die Online Veranstaltung Angemeldeten, die gar keine Fragen stellen können und nur der Darstellung der Gemeinde lauschen können. Das verstehe ich nicht unter umfassender Information und Moeglichkeit zum Austausch von Meinungen.
Die Überraschtheit der Gemeinde, die jetzt zu dieser Notlösung fuehrt, überrascht mich.
Und, sehr geehrter Herr Kloos, mir ist unter dem Vorzeichen von soviel Hass im Netz Datenschutz schon wichtig. Denken sie bitte daran, dass der hessische Regierungspraesident wegen seines online übertragenen Auftritts auf einer Buergerversammlung, in dem er sich für eine humane Asylpolitik eingesetzt hat, schon vor seiner Ermordung im Netz immer wieder bedroht worden war.
Die Sache ist komplexer als von Ihnen dargestellt.
Zitat Starnberger Merkur vom 17.03.2022: „Bei der Feinabstimmung mit der Medientechnik für die Live-Übertragung der Herrschinger Bürgerversammlung sind Probleme hinsichtlich des einzuhaltenden Datenschutzes aufgetaucht“. Auch die die Aussage von Herrn Schiller „….dass unerwartete Vorgaben beachtet werden müssen“ ist kritisch zu betrachten. Die datenschutzrechtlichen Vorgaben, die an Live-Übertragungen von Gemeinderatssitzungen und Bürgerversammlungen gestellt werden, sollten allen Verantwortlichen hinlänglich bekannt sein. Den Verantwortlichen der Gemeinde Herrsching empfehle ich die Lektüre des 29. Tätigkeitsberichtes des Bayerischen Datenschutzbeauftragten von 2019, Ziffer 5.2 – Live-Übertragung einer Bürgerversammlung ins Internet“.
Ich frage mich, warum es jede Aktiengesellschaft geschafft hat, in den letzten 2 Jahren Aktionärsversammlungen abzuhalten, der digitale Bürger aber nach wie vor außen vor bleibt. Mit einer vorab erteilten Einverständniserklärung, z.B. bei der Registrierung wäre es schon möglich gewesen. Leider konnte man sich aber nur per Telefon für die Veranstaltung anmelden.
Die Antwort ist relativ einfach, Herr Keim: man muss nur wollen.
Oder trauen und seinen Bürgern ein Stück weit vertrauen.
Es stellt sich die Frage, warum sich Herr Schiller nicht früher informiert hat, ob bei der geplanten Videoübertragung Probleme auftreten können. Dafür ist der von der Gemeinde bestellte und bezahlte Datenschutzbeauftragte da. Nun wurde für eine überhastete und nicht zu Ende gedachte Aktion unseres Bürgermeisters wieder sinnlos Geld zum Fenster hinausgeworfen. Herr Schiller war nicht machtlos, sondern er handelte einfach vorschnell und unüberlegt. Danke, Herr Schiller, für Ihre vorzügliche Arbeit.