So sieht vorausschauende Bauplanung aus: Am Montagabend gab der Bauausschuss zum Abriss eines alten Hauses, dem Neubau eines „Boardinghouses“ und eines Wohnhauses in der Schönbichlstraße sein O.K. Am Dienstagnachmittag stand am Platz des alten Hauses nur noch – ein Bagger. Ein Bauarbeiter erzählte herrsching.online, mit dem Abriss sei bereits am Freitag begonnen worden. Da hatte der Bauherr Glück: Mehrere Gemeinderäte übten heftige Kritik an dem Bauvorhaben. Die Mehrheit im Ausschuss segnete den Antrag trotzdem ab.
Wie die Bauverwaltung im Herrschinger Rathaus mitteilte, dürfen Häuser der Gebäudeklassen 1 und 3 nach der Bayerischen Bauordnung auch ohne Genehmigung abgerissen werden. Der Abriss vor der Bauausschusssitzung war als rechtlich nicht zu beanstanden.
Mehr Platz, Freude und Rendite in einem, verspricht ein Dienstleister von Boarding-Häusern. Dem Bausschuss lag am Montagabend ein Bauantrag für ein solches Gästeshaus mit Komfort-Apartments vor. Der Neubau soll an der Schönbichlstraße 87 entstehen. Der Beherbungsbetrieb wird eine Grundfläche von 131 Quadratmetern aufweisen und eine Wandhöhe von 10 Metern haben. In diesem Haus werden 3 mietbare Wohneinheiten mit bis zu 80 Quadratmetern Wohnfläche entstehen. Hinter dem Apartmenthaus ist ein Wohnhaus mit 240 Quadratmetern Wohnfläche geplant.

In der Vorlage des Bauamtes wird die Frage aufgeworfen, ob „kleinere Beherbergungsbetriebe“ im reinen Wohngebiet erlaubt seien. Weil nur 3 Apartments vermietet werden, hält die Verwaltung das „Vorhaben“ aber für zulässig.
Nicht alle Räte im Bauausschuss waren von den Plänen begeistert. Christiane Gruber (BGH) zeigte sich nahezu entsetzt, dass der „ganze Hang abgetragen und die riesige Wanne mit Beton ausgegossen werden muss. Auf dem Grundstück können dann auch keine Bäume mehr wachsen“, klagte Gruber. Auch ihr Fraktionskollege Rainer Guggenberger übte Kritik an dem Bauvorhaben. „Jetzt spüren wir die Fehler der Vergangenheit“, meinte der BGH-Rat. Er vermisst einen Bebauungsplan, der solch intensive Überbauung eines Hanggrundstücks hätte verhindern können.
Auch Grünen-Gemeinderat Wolfgang Darchinger fragte provokant, ob jetzt „ganz Herrsching ausgehöhlt wird“. Trotzdem stimmte er dem Bauvorhaben aber zu.
Weil es keinen Bebauungsplan gibt (warum eigentlich nicht?), kann sich ein Bauherr in dieser Gegend auf Paragraf 34 des Bayerischen Baugesetzes berufen. Dieser berühmte Paragraf hat schon viele Ortsbilder geprägt, manche sagen: verschandelt. Im Gesetz heißt es: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.“
Deshalb konnte sich der Bauherr in der Schönbichlstraße auf die Gebäude 71 und 73 und auf das nördlich angrenzende Grundstück, für das ein genehmigter Vorbescheid vorliegt, berufen.
Christiane Gruber hält das Vorhaben aber nicht nur aus städtebaulicher Sicht für bedenklich, sondern auch aus wassertechnischen Gründen.
So lange das Gesetz „Baurecht vor Baumschutz“ gilt, wird wohl unsere Natur trauriger Weise weiterhin den Maximalbebauungen für gut Betuchte und dem Bestreben der fremden Investoren nach einem vollen Geldsäckel weichen müssen. Diese Verordnung gehört meines Erachtens, besonders in unserer heutigen Zeit, in ein Gesetz abgeändert, dass dem Erhalt von Bäumen und Blumengärten Rechnung trägt. Es würde mich sehr freuen, wenn sich auch andere Menschen mit mir dafür einsetzen würden.
Herr Welte, auch ich habe mal 6 Jahre im Herrschinger Bauausschuss gesessen. Das war offenbar zu einer Zeit, als Sie mal gerade nicht im Gemeinderat waren. Ich behaupte nicht, „Fachwissen“ zu haben, sondern das, was ich schreibe, entspringt den Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gemacht habe.
Ansonsten sehe ich eigentlich gar nicht so viel Widerspruch zwischen Ihren und meinen Aussagen. Auch ich fand es unmöglich, dass Bauausschussmitglieder mit persönlichen Regress-Ansprüchen konfrontiert werden sollten.
Natürlich wäre es wünschenswert, dass möglichst viele Bebauungspläne aufgestellt würden, und ich weiß auch, dass man da nicht gerne dran geht wegen des enormen Aufwands oder vielleicht auch aus anderen Gründen.
Dass westlich der Schönbichlstraße ein Bebauungsplan besteht, weiß ich auch. Im Artikel und in der sich anschließenden Diskussion ging es aber immer um die Bebauung auf der östlichen Seite.
Ich frage mich schon welches „Fachwissen“ hier Frau Böckelmann von sich gibt. Natürlich wäre es möglich Bebaauungspläne aufzustellen, wenn man nur wollte! Während meiner Zeit im Bauausschuss wurde von der Bauverwaltung immer die Drohung ausgesprochen, die Gemeinde würde schadenersatzpflichtig werden, wenn nicht entsprechendes Baurecht eingeräumt wird. In meinen 36 Jahren im Gemeinderat wurde kein einziges mal Schadenersatz gefordert. Ich denke eher es liegt an der Überlastung der Bauverwaltung wenn man verfolgt, daß z. B. der Bauungsplan für das Gymnasium 8 lange Jahre dauerte und der Bebaungsplan für die Klosterwiese in Breitbrunn seit 2012 im Verfahren hängen geblieben ist. Es liegen auch einige B-Pläne in den Schubladen der Gemeinde, welche nicht abgeschlossen wurden.
Noch eine Anmerkung an Frau Böckelmann: Wie Sie ja sicher durch Ihren Mann erfahren haben, hat der Bauausschuss eine Änderung des Bebauungsplans westlich der Schönbichlstrasse beschlossen. Ziel soll eine „maßvolle Verdichtung“ sein. Man darf gespannt sein was hier passieren wird.
Ich habe den Eindruck, dass die hier aktiven Kritiker die Möglichkeiten des Herrschinger Bauausschusses total überschätzen.
Jedes größere Bauvorhaben wird abschließend vom Bauamt in Starnberg beurteilt, das nach Gesetzeslage entscheidet. Insofern haben die Beschlüsse des gemeindlichen Bauausschusses nicht viel mehr als Empfehlungscharakter aufgrund der genaueren Kenntnis der örtlichen Verhältnisse.
Ich stehe unter dem Eindruck, dass im Gemeinderat in dieser Frage gehandelt wird nach dem Motto: wir machen nichts, dann können wir zunächst einmal nichts falsch machen. Das kennen die Bürger auch in anderen Fällen. Erwähnt sei nur die überfällige Baumschutzverordnung. So aber schadet man Herrsching.
Liebe Frau Boeckelmann, ich gebe Ihnen recht mit dem Grundgedanken, dass in der Schoenbichlstraße das Kind schon in den Brunnen gefallen ist mangels vorhandener Bebauungspläne.
Dennoch gäbe es die Möglichkeit, dass die Gemeinde reagiert und nicht toleriert, dass vor formeller Erteilung der Baugenehmigung schon vollendete Tatsachen durch den Beginn der Arbeiten geschaffen werden.
Sonst entsteht der Eindruck „Frechheit siegt“.
Und das Beispiel zeigt auch wie wichtig Bebauungspläne wären, da wo es noch keine gibt, bevor die immer massivere Umgebungsbebauung das Maß aller Dinge wird und sich der Prozess sozusagen selber befeuert.
Vor allem sollte darauf geschaut werden, dass vorhandene Bebauungspläne nicht – mir nichts, dir nichts – gekippt werden, weil sie nicht mehr „zeitgemäß“ sind….
„Frechheit siegt“?
Das sowieso. Hier sollte man sich keinen Illusionen hingeben.
Das, was sich auf der Seite der Schönbichlstraße mit den ungeraden Nummern abspielt, ist schon seit Jahrzehnten ein Trauerspiel. Der Grund ist, wie im Artikel schon vermerkt wurde, dass hier nach Paragraph 34 gebaut werden darf.
Selbst wenn der Herrschinger Bauausschuss nicht zugestimmt hätte – die übergeordnete Baubehörde im Landratsamt hätte aufgrund der Gesetzeslage gar nicht anders gekonnt, als zuzustimmen.
Es ist auch schon vorgekommen, dass Bauherren sich ihr überdimensioniertes Bauvorhaben, gerade in dieser Gegend, vor dem Verwaltungsgericht erstritten haben.
Vielleicht kann sich anhand dieser Sachlage der eine oder andere Kritiker vorstellen, wie „motivierend“ solche Verhältnisse sind, sich überhaupt in den Bauausschuss zu setzen. Es kostet viel Zeit und bringt nichts als Verdruss.
Leider bildet sich der Unmut und die Skepsis, die immer mehr Herrschinger*innen gegenüber solch monströsen Bauvorhaben äußern, nicht in den gewählten Gremien wie dem Gemeinderat und speziell dem Bauausschuss – mit Ausnahme einiger Standhafter – ab. Die Frage, warum nicht verschärft an richtungweisenden Bebauungsplänen gearbeitet wird, wenn man das Problem schon kennt, stellt sich deutlich. Wenn es so weiter geht, wird es in ein paar Jahren nicht mehr viel zu bewahren geben. Und dann werden all die neugebauten Wohnkloetze in der Schoenbichlstraße teilweise leerstehen, weil es den Leuten mit viel Geld dort auch nicht mehr gefallen wird ohne „Naturkulisse“. Dann zieht die Karawane weiter, sucht sich Ursprünglicheres und verschandelt das nächste „unberuehrte“ Dorf. Ein Vorgang, den Sozialgeograph*innen und Stadtentwickler immer wieder an vergleichbaren Örtlichkeiten leider feststellen koennen.
Und nur wenige Meter weiter steht das nächste Grundstück in der Schönbichlstraße für eine weitere intensive Überbauung bereit. Die Liste der Herrschinger Bausünden wird immer länger. Ein Bebauungsplan ist für manche Interessen eher hinderlich. Wer hindert die Verwaltung der Gemeinde Herrsching und den Gemeinderat an der Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans?
In Bereich östlich der Schönbichlstraße, wo schon so viel „passiert“ ist, kommt ein Bebauungsplan zu spät. Dieser müsste sich an den nach Paragraph 34 schon gebauten Gebäuden ausrichten, es wäre also hinsichtlich der Bebauungsdichte nichts gewonnen.
Der „Sündenfall“ ist schon vor mehr als 50 Jahren eingetreten mit dem Bau des ersten Hanghauses auf der zur Diskussion stehenden Seite der Straße. Nach diesem durften sich in der Folgezeit alle nachfolgenden Bauvorhaben ausrichten.
Es hätte mich ehrlich gesagt auch sehr gewundert, wenn die Grünen dieser erneuten Bausünde in Herrsching nicht zugestimmt hätten. Nach Biotopzerstörung und Baumfällaktion Fendlbach geht das Grüne Treiben in Herrsching munter weiter.