Gemeinderat beschließt jetzt doch Luftaustauschgeräte für die Grundschule.
Es ging um emotionslose Technik, und trotzdem flogen im Gemeinderat die Fetzen. Am Montag abend war von „kollektivem Versagen“ und „Unverschämtheiten“ die Rede. Nach fast endloser Debatte beschloss der Gemeinderat mit Mehrheitsbeschluss, für 16 Klassenzimmer der Christian Morgenstern Grundschule sogenannte Luftaustauschgeräte mit dem Fachbegriff RLT (Raumluft-Technische Anlagen) zu bestellen. Allerdings werden die meisten Geräte erst im nächsten Sommer zur Verfügung stehen. In der Zwischenzeit muss sich die Schule mit mehrmaligem Lüften pro Stunde behelfen.
Dass das Thema Luftfilter und Luftaustausch-Geräte emotional aufgeladen ist, steht täglich in den Zeitungen. Und so nahm die Diskussion Fahrt auf, als FDP-Gemeinderat Alexander Keim zur Generalabrechnung ausholte. „Krass“ sei die Auskunft von Schulleitung und Verwaltung gewesen, dass „mit der Stoßlüftung in der Grund- und Mittelschule alles passt“. Ein Jahr nach dem CSU-Antrag, die Schule besichtigen zu dürfen, wisse man jetzt, dass in mindestens 16 Klassenzimmern eine ausreichende Stoßlüftung nicht möglich sei. Die Informationen seien einfach nicht weitergegeben worden. Keim wörtlich und sichtlich erregt: „Wir haben kollektiv versagt. Wir haben gepennt.“

Dieser pauschale Vorwurf forderte die Zweite Bürgermeisterin Christina Reich (CSU) heraus: „Der Vorwurf, wir hätten gepennt, ist eine Unverschämtheit. Ich weise das weit von mir.“
Tatsächlich hatte Reich im Juli, Bürgermeister Schiller weilte in Urlaub, das Thema Luftreiniger eigensinnig in eine prallvolle Tagesordnung des Gemeinderates gedrückt. Reich in der Juli-Sitzung resolut: „Ich will jetzt einen Beschluss haben, deshalb habe ich das Thema auch auf die Tagesordnung gesetzt.“ Sie setzte dann durch, dass sich ein Kümmerer (Florian Lübeck) um einen Gutachter bemühen solle, der das Thema kompentent für einen späteren Beschluss aufbereiten könne.

Dieser Gutachter hat nun am Montag abend seinen Bericht vorgelegt. Und was Ingenieur Linsmeier herausgefunden hatte, bot keinen Grund zur Selbstzufriedenheit: In etwa 30 Klassenräumen lassen sich die Fenster nur ungenügend, oft nur zu einem Drittel oder einem Viertel, öffnen – in 16 Zimmern ist eine virologisch sinnvolle Stoßlüftung nicht in ausreichendem Maße möglich. Für solche Recherchen braucht man allerdings kein Ingenieursstudium, auch die Schule selbst hätte eine solche „Lüftungsinventur“ durchführen können und damit wertvolle Zeit gewonnen.
Gemeinderat Christoph Welsch brachte das Fenster-Fiasko auf eine simple Idee: „Dann tauschen wir doch einfach die Fenster, die sich nicht öffnen lassen, aus.“ Auch sein Fraktionskollege Gerd Mulert fand den Vorschlag erfrischend. Roland Lübeck (CSU) fand die Idee aber nicht prickelnd: „Das ist einfach nicht mehr Stand der Technik.“
Bürgermeister Christian Schiller hat sich ebenfalls mit einer technischen Aufrüstung der Räume angefreundet. Wie Gutachter Linsmeier schlug er sogeannte RLT-Geräte vor, die verbrauchte Luft aus dem Zimmer transportieren und frische, CO2-arme Luft von draußen in den Raum saugen. Der zusätzliche Umwelt-Charme dieser Lufttauscher: Sie holen die Wärme aus der Abluft und heizen damit die Frischluft. Dieser energetische Vorteil war besonders der CSU-Fraktion wichtig. Gemeinderat Florian Lübeck: „Durch den Wärmetausch werden bis zu 90 Prozent der Energie erhalten.“ Sprich: Die Kinder müssen nicht mit Wintermänteln im Klassenzimmer herumsitzen.

Das große ABER setzen allerdings die Kosten. Ein solches Gerät verschlingt ungefähr 22000 Euro. Weil aber Bund und Freistaat ebenso fasziniert sind von diesen Wunderkästchen, alimentieren sie die Anschaffung mit bis zu 80 Prozent der Kosten. Maximal 500 000 Euro würde der Staat in die Grund- und Mittelschule Herrsching stecken – damit könnte man bis zu 28 Klassenräume zu Luftkurorten machen.
Bürgermeister Schiller wies aber darauf hin, dass nicht nur Herrsching auf diese Geräte warte. Es werde wahrscheinlich Sommer, bis alle schlecht belüftbaren Räume mit diesen Lufttauschern ausgestattet werden könnten. In der Zwischenzeit könne man sogenannte Luftreiniger mit HEPA-14-Filtern leasen. Diese Waschanlagen für die Luft sorgen zwar nicht für die Abfuhr von Feuchtigkeit und CO2, aber sie fischen zuverlässig alle Krankmacher heraus. Der Charme dieser Leasinggeräte: Die Gebühren würde der Staat ebenfalls bezuschussen. Der Vorschlag der Verwaltung:
• Jetzt sogenannte Luftreiniger leasen und dann zurückgeben, wenn
• je nach – Lieferfähigkeit der Hersteller – RLT-Luftaustauscher installiert werden können (80 Prozent übernimmt der Staat).
Bevor die Gemeinderäte über diesen Vorschlag abstimmen durften, stand zuerst einmal der Vorschlag der Fenster-Fraktion an: Austausch aller Fenster, die sich nicht öffnen lassen. Nur 10 Rätinnen und Räte hoben die Hand für diese Lösung. Also: Fenster bleiben zu.

Dann wäre also der logische nächste Schritt, Luftreiniger zu leasen, bis die Lufttauscher installiert sind. Für diese Zwischenlösung fanden sich nur 5 Hände. Es gibt also keine Zwischenlösung.
Und dann kam die alles entscheidende Abstimmung: Kauft Herrsching Raumluft-technische Anlagen? FDP-Mann Alexander Keim sattelte auf diese Vorlage noch den Vorschlag, dass alle Klassenzimmer der CM-Schule mit solchen In-Out-Air-Anlagen ausgestattet werden sollten. Schließlich solle man auf die Eltern der Schüler im impffähigen Alter keinen Impfdruck ausüben. Für Keims Kompakt-Lösung aber fanden sich nur 3 Mitstreiter.
Bei der Abstimmung über die 16 Geräte aber schossen 13 Hände hoch. Große Erleichterung in der Runde. Jetzt muss der Auftrag zuerst einmal ausgeschrieben werden. Dann sollte der Auftragnehmer lieferfähig sein. Und schließlich müssen Geräte und Rohre montiert und verlegt werden – schließlich muss für jede Anlage zweimal die Außenmauer durchgebrochen werden.
Das, so der Gemeinderats-Beauftragte Florian Lübeck, funktioniere aber nur in den Schulferien. Wenn man Glück habe, könnten die ersten Geräte schon in den Weihnachtsferien installiert werden. Die nächste Tranche käme in den Faschings- und Osterferien. Und der Rest wird in den nächsten großen Ferien geliefert.
Auch wenn dann niemand mehr über Corona spricht – die Frischluft in den Klassenzimmern werden Schüler und Lehrer auch in Pandemie-freien Zeite genießen.
Siehe dazu auch der Kommentar: Ratlose Räte
Bürgermeister versteht Leasing-Verweigerung nicht
Der Herrschinger Bürgermeister Christian Schiller hat nach der Gemeinderatssitzung sein Unverständnis darüber geäußert, warum der Gemeinderat keinen Luftfiltern auf Leasing-Basis zugestimmt hat. Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, in 16 Klassenzimmern der Christian Morgenstern Schule sogenannte Lufttausch-Anlagen zu installieren. Diese RLT-Anlagen tauschen die Raumluft regelmäßig vollständig aus.
Da diese Anlagen aber erst im Laufe des nächsten Jahres geliefert werden, schlug Schiller vor, als Überbrückung Luftfilteranlagen, die Viren und Keime aus der Luft waschen, zu mieten. „Um keinen Elektroschrott zu produzieren, der nach Installation der Lufttauscher nur im Keller stehen würde“ (Schiller), wollte die Verwaltung diese Filter als Übergangslösung anmieten. Der Gemeinderat verweigerte am Montag abend die Zustimmung zu Leasingverträgen. Schiller wörtlich zu herrsching.online: „Das verstehe ich auch nicht.“

Gemeinderatssitzung zum Thema Luftfilter und RLT-Anlagen für die Christian Morgenstern Schule
Gerd Mulert, Grüne
„Wir hatten uns in unserer Fraktion abgesprochen, dass wir unterteilen wollten in: Kurzfristige Lösung und Langfristige Lösung.
Langfristig fanden wir gerade nach dem guten Vortrag von dem Herrn Lohlein zum Kindergarten überzeugend, dass es auf eine gute Durchlüftungsmöglichkeit ankommt. Die Schule hat nun in einigen Räumen nur bedingt gut öffnenbare Fenster. Daher war unsere Empfehlung, jetzt anzufangen und diese Öffnungsmöglichkeiten zu optimieren.
Kurzfristig waren wir unentschieden, ob über Mieten Geräte für den Übergang organisiert werden oder ob gar nichts gemacht wird. Natürlich wäre bei „Nicht-tun“ das Lüften etwas aufwendiger. Aber die Schule reagiert ja schon, indem die Klassenräumen offen gehalten werden. Im allgemeinen klappt das ganz gut, wie Rita erzählt hat. Dazu gibt es diese CO2-Ampeln. Eine gute Anzeigevariante, um schlechte Luft im Raum anzuzeigen.
Ich hätte mir dabei auch eine Mietlösung für die kurzfristige Lösung gefallen lassen (solange bis die nötigen Fenster drin sind). Andererseits hätte ich nicht die Hoffnung, dass diese Geräte zu beschaffen sein werden und hätte auch nicht die Hoffnung, dass es wirklich was bringt. Das basiert wohlgemerkt alles auf den Informationen der Fachleute.
Sehr unbefriedigend finde ich jetzt die Lösung mit den Geräten, die eingebaut werden. Wir hatten in dem Vortrag von Herrn Lohlein gehört und gelernt, dass Ein- und Austritt der Luft 5 Meter im Abstand sein müssen, da nur so Kurzluftströmungen verhindert werden können. Jetzt muss man sich mal vorstellen, wie das optisch auf der Außenwand aussieht. Wird dabei die Architektin, die die Schule entworfen hat, mitmachen. Unser Wolfgang Darchinger hat da noch mal darauf hingewiesen – zu spät. „
Dr. Rainer Guggenberger, BGH
„Warum eine deutliche Mehrheit des Gemeinderates das abgelehnt hat, ist mir auch unverständlich, denn es wäre bei aller Problematik der Geräte die einzige, kurzfristig wirksame Maßnahme gewesen. Wir 3 BGHler haben jedenfalls geschlossen dafür gestimmt. Allerdings gelten die Quarantäneregeln unabhängig davon, ob Lüftungsgeräte im Zimmer sind oder nicht.“
Anke Rasmussen, Grüne
„Auch beim Einsatz von Filtern wird der reguläre Schulbetrieb rechtlich nicht anders beurteilt, und die Filter ersetzen nicht das regelmäßige Lüften.
Außerdem meinte Uli Sigl, dass in den Schulen nach wie vor regelmäßig getestet wird, Krankheitsfälle innerhalb der Klassen daher gut erkannt werden. Und Christian Schiller hat betont, dass die Schüler auf dem Schulweg dicht gedrängt beisammen sitzen, und da sind auch keine Filteranlagen. Fraglich war außerdem, ob man solche Geräte überhaupt derzeit gemietet bekommt, da die Nachfrage natürlich groß ist.
Uns Grünen hätte es besser gefallen, die schlecht lüftbaren Räume durch den Austausch von Fenstern zu verbessern. Dies wäre auch langfristig von Vorteil und wir hatten ja gehört, dass regelmäßiges Stoßlüften auch die ökologischste Methode ist. Leider haben wir dafür keine Mehrheit gefunden.“
Schwierig cool zu bleiben, wenn man 1 Jahr lang ausgesperrt bleibt und keinen Zutritt bekommt, um sich vor Ort ein Bild machen zu können, Frau Böckelmann. Ansonsten bin ich voll bei Ihnen.
Nun ja – ein bisschen mehr Beeilung hätte der Gemeinde beim Thema Luftfilter schon nicht schlecht angestanden.
Es war schließlich klar, dass in ein paar Monaten wieder Winter sein würde und es war zu befürchten, dass im Herbst die Infektionszahlen wieder ansteigen könnten. Es wurde der selbe Fehler wie im letzten Jahr gemacht, und man ging praktisch unvorbereitet in das neue Schuljahr.
Die Eltern werden nicht begeistert sein, wenn es zu neuen Schulschließungen kommen sollte und nicht alles getan wurde, um diese zu verhindern. Die Idee, die Schüler alle 20 min einem Kaltluft-Schock auszusetzen, stößt nicht bei jeder und jedem auf Begeisterung.
Andererseits war da die Frage der ungeklärten Finanzierung und die allgemeine Unsicherheit, welche Art von Geräten eine Anschaffung sinnvoll machen würde. Schließlich wollte man nach Pandemie-Ende auch keinen Haufen Schrott irgendwo herumstehen haben.
Ein bisschen mehr „coolness“ bei der Abhandlung all dieser Fragen hätte ich dem Gemeinderat allerdings schon gewünscht.